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    • 1986: Taxikonzessionen

      Das Gelegenheitsverkehrsgesetz ist ein Beispiel für die Entwicklung einer materiellen Grundrechtsjudikatur des Verfassungsgerichtshofes – und für einen letztlich gescheiterten Versuch des Gesetzgebers, eine aufgehobene Regelung durch eine Verfassungsbestimmung dennoch beizubehalten.

      Bis Anfang der 1980er-Jahre dominierte eine zurückhaltende, streng formale und restriktive Sicht des VfGH auf formal formulierte grundrechtliche Gesetzesvorbehalte – etwa auch hinsichtlich der Erwerbsfreiheit, die in Art 6 Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger (StGG) verankert ist. Der einfache Gesetzgeber war bei Gesetzen, die in das Grundrecht eingriffen, nach dieser älteren Rechtsprechung allein durch den Wesensgehalt des Grundrechts beschränkt. Ein Verstoß wurde nur selten – wenn etwa das Grundrecht fast vollständig beseitigt schien – angenommen. Nun wich dieser Ansatz nach und nach einer materiellen Betrachtungsweise, wie auch im Fall der Taxikonzessionen. Ein Eingriff in ein Grundrecht ist gemäß dieser Sicht nur dann zulässig, wenn er durch das öffentliche Interesse geboten, adäquat und auch sonst sachlich gerechtfertigt ist.

      Das Gelegenheitsverkehrsgesetz (GelVerkG), welches das Taxigewerbe regelt, sah ursprünglich vor, dass eine Konzession für die gewerbsmäßige Beförderung von Personen nur dann erteilt werden dürfe, wenn ein „Bedarf nach der beabsichtigten Gewerbeausübung“ gegeben sei. Im Jahre 1986 leitete der VfGH aus Anlass der Behandlung zweier Beschwerden, die sich gegen negative Taxikonzessionsbescheide richteten, eine amtswegige Gesetzesprüfung des § 5 Abs 1 und § 5 Abs 4 GelVerkG ein. Zusätzlich gab es noch 49 Gesetzprüfungsanträge des Verwaltungsgerichtshofes in vergleichbaren Fällen.

      Der VfGH hob schließlich mit Erkenntnis vom 23. Juni 1986 (VfSlg 10.932) die betreffenden Gesetzesstellen wegen Verletzung der Erwerbsfreiheit gem Art 6 StGG auf. Er betonte, dass eine die Freiheit der Erwerbsausübung einschränkende Vorschrift nur dann zulässig sei, wenn sie durch ein öffentliches Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und zudem auch sonst sachlich gerechtfertigt ist. Die Bedarfsprüfung im GelVerkG aber sei ein absolut ungeeignetes, jedenfalls aber völlig inadäquates Mittel für die Erreichung der Ziele eines funktionstüchtigen, sicheren und zeitsparenden Gelegenheitsverkehrs und diene lediglich einem nicht im öffentlichen Interesse gelegenen Konkurrenzschutz. Durch die gesetzliche Anordnung einer Bedarfsprüfung werde die Freiheit der Erwerbsausübungsfreiheit unverhältnismäßig beschränkt.

      Der Gesetzgeber reagierte auf die Aufhebung mit einer Novellierung des GelVerkG. § 10 Abs 2 GelVerkG sah nunmehr eine Ermächtigung für die Landeshauptleute vor, eine Höchstzahl an Taxis durch Verordnung festzulegen.

      Im Ergebnis glich diese Bewirtschaftungsregel freilich einer Bedarfsprüfung. In der Lehre war die Regelung außerdem heftig umstritten, weil sie ohne erkennbaren Grund als Verfassungsbestimmung erlassen worden war – der Verdacht lag nahe, dass damit lediglich das alte System gegen Einsprüche des VfGH abgesichert werden sollte. Freilich war dieser Versuch nicht von Erfolg gekrönt: Der VfGH hob alle aufgrund des § 10 Abs 2 GelVerkG erlassenen Verordnungen auf (VfSlg 11.756/1988 uva). 1993 schließlich verabschiedete sich auch der Gesetzgeber von der umstrittenen Regelung und hob sie auf.

    • Taxidachbalken 

      Taxidachbalken.
      (Foto: Petar Milošević, CC BY-SA 4.0)

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