Der Bau des Krematoriums am Wiener Zentralfriedhof führte 1922 zum Konflikt zwischen der Bundes- und der Wiener Landesregierung : Die katholische Kirche und klerikale Kreise lehnten die Feuerbestattung zur damaligen Zeit strikt ab; konträr dazu stand die Sozialdemokratie. Dementsprechend versuchte der christlich-soziale Bundesminister für soziale Fürsorge, Richard Schmitz, die Inbetriebnahme des Krematoriums mit Hilfe einer Weisung an den sozialdemokratischen Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien, Jakob Reumann, zu verhindern. Dieser weigerte sich jedoch, die Weisung zu befolgen. Die Bundesregierung rief daher gemäß Art 142 B-VGH den VfGH an, um die Frage zu klären, ob es sich bei der Feuerbestattung um eine Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung oder der Landesverwaltung handelte. Mit Erkenntnis vom 27. März 1923 (VfSlg 206/1923) entschied der VfGH für Reumann.
Der Verfassungsgerichtshof stellte fest, dass die Kompetenz dem Bund zustehe, der Landeshauptmann somit an die Weisungen des Bundesministers gebunden gewesen sei. Gleichzeitig entschied er aber, dass die Kompetenzlage auf diesem Gebiet – bis 1925 standen die Regelungen der Reichsverfassung von 1867 in Kraft – äußert kompliziert sei. Aufgrund der unübersichtlichen Rechtslage sei der Landeshauptmann irrtümlicherweise von einer Landesangelegenheit ausgegangen und deshalb der Weisung nicht gefolgt. Aufgrund dieses entschuldbaren Rechtsirrtums war er freizusprechen.