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Entscheidungen des VfGH zu Anfechtungen von Gemeinderatswahlen in Niederösterreich

15.07.2020

Wahl in Kottingbrunn muss wiederholt werden, jedoch nicht in Langenrohr, Litschau und Marchegg

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat einige Entscheidungen über Wahlanfechtungen, die am 12., 13., 17. und 26. Juni getroffen worden waren, an die Verfahrensparteien zugestellt und heute veröffentlicht.  

Gemeinderatswahl in Kottingbrunn muss wiederholt werden 

Als erfolgreich erwies sich die von der Wählergruppe „Neues Kottingbrunn“ eingebrachte Anfechtung der Gemeinderatswahl vom 26. Jänner dieses Jahres eben in Kottingbrunn.  

Der von der Liste „Neues Kottingbrunn“ eingebrachte Wahlvorschlag war von der Gemeindewahlbehörde wegen fehlender Angaben zu den Kandidaten zur Verbesserung zurückgestellt worden. Dieser Verbesserungsauftrag war dem Listenführer aber nicht rechtswirksam zugestellt worden: Ein Gemeindebediensteter hatte den entsprechenden RSb-Brief zwar in den Briefkasten des Listenführers geworfen, aber nicht persönlich übergeben. Daher war nicht nachweisbar, an welchem Tag dieser die Verständigung erhalten hatte.  

Die Wahlbehörde wies den Wahlvorschlag daher unzulässigerweise zurück. Das Wahlverfahren muss nunmehr „ab der Prüfung der eingelangten Wahlvorschläge“ wiederholt werden.

(W I 4/2020)  

Anfechtungen der Gemeinderatswahlen in Marchegg und Langenrohr waren unbegründet 

Nicht stattgegeben wurden Anfechtungen der Gemeinderatswahlen vom 26. Jänner dieses Jahres in Marchegg und Langenrohr. In beiden Gemeinden hatte die SPÖ einen Wahlvorschlag eingebracht. Diese Wahlvorschläge wurden von den zuständigen Wahlbehörden jedoch zurückgewiesen, und zwar ohne einen Verbesserungsauftrag. Der Grund für die Zurückweisung: Wenigstens ein Kandidat, der auf dem Wahlvorschlag aufscheint, muss zuvor seiner Aufnahme in den Vorschlag zugestimmt haben. Das traf aber in beiden Fällen nicht zu. 

Der VfGH stellte nun fest, dass die Nichtzulassung der Wahlvorschläge dem Gesetz entsprochen hatte, weil die Nominierung eines Kandidaten auf einer bestimmten Parteiliste ohne seine Zustimmung dem Grundsatz der Freiheit der politischen Willensbildung und Betätigung widerspräche. Eine solche Nominierung würde damit ihrerseits einen Grund für die Anfechtung (und Aufhebung) der Wahl bilden.

(W I 2/2020 und W I 3/2020)  

Gemeinderatswahl in Litschau: Anfechtung zurückgewiesen 

Die Wählergruppe „Bürgerbewegung Litschau“ hatte die Gemeinderatswahl in Litschau angefochten und dies damit begründet, dass das der Wahl zugrunde gelegte Wählerverzeichnis „gesetzwidrig erstellt“ worden sei.  

In Niederösterreich muss eine Beschwerde wegen behaupteter „gesetzwidriger Vorgänge im Wahlverfahren“ zunächst bei der Landes-Hauptwahlbehörde erfolgen; erst der Bescheid dieser Behörde kann beim VfGH angefochten werden. Da sich die anfechtende Wählergruppe aber direkt an den VfGH gewandt hatte, wurde die Anfechtung als unzulässig zurückgewiesen.

(W I 5/2020)  

Wählerverzeichnisse: Beschwerde ist auch nach der Wahl noch zulässig 

Über Entscheidungen der Gemeindewahlbehörde betreffend die Aufnahme von Personen in Wählerverzeichnisse und die Streichung von Personen aus Wählerverzeichnissen kann in Niederösterreich Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht (LVwG) erhoben werden. Eine solche Beschwerde kann – so die Niederösterreichische Gemeinderats­wahlordnung – „jeder Staatsbürger und jeder Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union“ einbringen; auf eine persönliche Betroffenheit kommt es nicht an. 

Der VfGH hat nunmehr klargestellt, dass das Beschwerdeverfahren vor dem LVwG den Zweck hat, die objektive Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Gemeindewahlbehörde zu überprüfen. Das bedeutet, dass über eine solche Beschwerde auch dann noch inhaltlich zu entscheiden ist, wenn die betreffende Wahl bereits stattgefunden hat.  

Im November 2019 wurde bei der Gemeindewahlbehörde beantragt, mehrere Personen aus dem Wählerverzeichnis für die Gemeinderatswahl in Litschau zu streichen. Nach mehreren Verfahrensschritten entschied das LVwG im März 2020, dass diese Beschwerden mittlerweile gegenstandslos geworden waren und stellte die Verfahren ein. Der VfGH hob diese Beschlüsse des LVwG nun als rechtswidrig auf.  

Die Verpflichtung des LVwG, eine inhaltliche Entscheidung zu treffen, bedeutet aber nicht, dass die Wahl in Litschau wiederholt werden muss; es ändert sich nichts daran, dass die Wahl im Jänner auf Basis des damals gültigen Wählerverzeichnisses stattgefunden hat.

(W IV 77/2020)

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