VfGH weist Anträge von mehreren Angeklagten des BUWOG-Prozesses ab
Der VfGH hat Anträge des ehemaligen Finanzministers Karl-Heinz Grasser und weiterer Angeklagter des BUWOG-Prozesses als unbegründet abgewiesen. Sie hatten sich gegen Regelungen betreffend die Entscheidung über eine Befangenheit von Richtern im Hauptverfahren und die Hemmung von Verjährungsfristen gewendet. In dem Prozess rund um die Privatisierung von Bundeswohnungen ist im Dezember 2020 das – nicht rechtskräftige – Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien ergangen.
Grasser und die weiteren Angeklagten brachten vor, es sei verfassungswidrig, dass über die Ablehnung eines Richters eines Schöffengerichtes wegen Befangenheit, die während der Hauptverhandlung geltend gemacht wird, das Schöffengericht selbst zu entscheiden hat und es überdies gegen diese Entscheidung kein selbständiges Rechtsmittel gibt (§ 238 Abs. 2, § 45 Abs. 3 StPO). Ebenso sei es verfassungswidrig, dass der Zeitraum vom Beginn der Ermittlungen bis zur rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens nicht in die Verjährungsfrist einzurechnen ist (§ 58 Abs. 3 Z 2 StGB).
Es ist, so der VfGH, aus verfassungsrechtlicher Sicht nichts dagegen einzuwenden, dass Entscheidungen über die Ausschließung eines Richters eines Schöffengerichtes zunächst durch das Schöffengericht getroffen und dann in einer Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Strafurteil bekämpft werden können. Der Gesetzgeber hat dadurch seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum nicht überschritten.
Der VfGH hat auch keine Bedenken bezüglich der angefochtenen Verjährungsregelung. Gesetzliche Verjährungsfristen dienen in erster Linie der Rechtssicherheit, nicht der Sicherstellung einer angemessenen Verfahrensdauer, wie die Antragsteller argumentiert hatten. Die StPO enthält Bestimmungen, die bewirken sollen, dass strafgerichtliche Verfahren in angemessener Zeit erledigt werden. Dazu gehören insbesondere die amtswegige Überprüfung der Dauer des Ermittlungsverfahrens (§ 108a StPO) und das allgemeine Beschleunigungsgebot nach § 9 StPO sowie das Recht des Betroffenen, eine Erneuerung des Strafverfahrens zu erwirken (§ 363a StPO). Eine unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer ist schließlich als Milderungsgrund zu berücksichtigen (§ 34 Abs. 2 StGB). Ob eine Verletzung im Recht auf Entscheidung innerhalb angemessener Zeit vorliegt, ist stets im Einzelfall zu beurteilen, nicht aber eine Frage der Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmung des § 58 Abs. 3 Z 2 StGB.
(G 299/2022 u.a. Zlen.)