Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse: ORF in Recht auf Verfahren vor gesetzlichem Richter verletzt
In einem von einem privaten TV-Veranstalter angestrengten Aufsichtsverfahren im Zusammenhang mit dem Erwerb von Übertragungsrechten für die Spiele der UEFA Champions League durch den ORF hatte die Regulierungsbehörde KommAustria dem privaten TV-Veranstalter vom ORF vorgelegte, von diesem als vertraulich gekennzeichnete Unterlagen zur Kenntnis gebracht. Diese Unterlagen hätten laut ORF Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten. In der Sache gab die KommAustria freilich dem ORF recht und wies die Beschwerde ab. Der ORF erhob dennoch gegen diese Entscheidung Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wegen Verletzung seiner Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Das Bundesverwaltungsgericht wies diese Beschwerde des ORF mangels rechtlicher Betroffenheit zurück.
Im Erkenntnis vom 10. Oktober 2019 weist der VfGH zunächst darauf hin, dass in einem Mehrparteienverfahren das Recht jeder Partei auf Zugang zu allen entscheidungsrelevanten Unterlagen gegen das Recht der übrigen Verfahrensparteien auf Schutz ihrer vertraulichen Daten abzuwägen ist. Zwar darf es, wie in anderen Zusammenhängen auch der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, im Rechtsstaat keine geheimen Beweismittel geben; in außergewöhnlichen Fällen kann es aber zur Wahrung der Grundrechte erforderlich sein, den Parteien bestimmte Informationen vorzuenthalten, solange sichergestellt ist, dass sowohl die Behörde als auch das gegen deren Entscheidung angerufene Verwaltungsgericht über alle entscheidungserheblichen Unterlagen vollumfänglich verfügen.
Im konkreten Fall wäre das Bundesverwaltungsgericht gehalten gewesen, den Anspruch des ORF auf Schutz seiner Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gegen den rechtsstaatlichen Informationsanspruch des privaten TV-Veranstalters abzuwägen. Da die Offenlegung der Geheimnisse bereits erfolgt war, hätte das Bundesverwaltungsgericht gegebenenfalls auszusprechen gehabt, dass der ORF in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt ist. Da das Bundesverwaltungsgericht diese Interessenabwägung und Sachentscheidung zu Unrecht verweigert hatte, wurde der ORF in seinem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt. (E 1025/2018)