Flüchtlingsquartiere: Drittelantrag gegen eine Bestimmung der Wiener Bauordnung abgewiesen
Der Verfassungsgerichtshof hat einen Drittelantrag von 34 freiheitlichen Abgeordneten zum Wiener Landtag abgewiesen. Die Anfechtung betraf § 71c der Wiener Bauordnung, der für die Einrichtung und Nutzung von Flüchtlingsunterkünften Erleichterungen vorsieht. Die Antragstellerinnen und Antragsteller sahen dadurch ua das aus dem rechtsstaatlichen Prinzip der Verfassung abgeleitete Bestimmtheitsgebot und den Gleichheitsgrundsatz verletzt. Der Gerichtshof folgte diesen Bedenken in seiner Entscheidung vom 6. März 2018 nicht.
§ 71c wurde mit einer Novelle zur Wiener Bauordnung im März 2016 eingeführt. Konkret geht es um die „vorübergehende Unterbringung einer größeren Anzahl von Personen auf Grund von bereits eingetretenen oder bevorstehenden Ereignissen, insbesondere Naturereignissen, oder auf Grund völkerrechtlicher, unionsrechtlicher oder Verpflichtungen der Gemeinde bzw. des Landes gegenüber dem Bund oder aus humanitären Gründen“.
In diesem Fall sind baurechtliche Sonderbestimmungen vorgesehen, wenn die Unterbringung staatlich organisiert ist. So ist bei Nutzung rechtmäßig bestehender Gebäude oder Neu- bzw. Zubauten in Leichtbauweise – zB mittels Containern – für die Dauer von sechs Monaten gar keine Baubewilligung nötig, wenn grundlegende Sicherheits- und Hygienevorkehrungen eingehalten werden. Bei einer längeren Nutzung bestehender Gebäude oder für die Durchführung von Bauarbeiten für einen Zeitraum bis zu fünf bzw. fünfzehn Jahren ist zwar eine Baubewilligung nötig, für diese gelten aber Erleichterungen.
Der Verfassungsgerichtshof folgte den Bedenken hinsichtlich einer Verletzung des Bestimmtheitsgebotes nicht: „Allen im Antrag wegen ihrer vermeintlichen Unbestimmtheit gerügten Wortfolgen ist – unter Heranziehung sämtlicher Interpretationsmethoden – ein eindeutiger Inhalt sowie eine hinreichende Determinierung des behördlichen Verhaltens zu entnehmen.“
Ebenso wenig vermochte der Gerichtshof eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes zu erkennen. Der Antrag macht geltend, dass Privilegierungen nur für den Fall staatlicher Nutzung vorgesehen seien und Nachbarrechte beschnitten würden. Der VfGH hält diesem Einwand entgegen, dass die Ausgestaltung der Parteirechte der Gestaltungsfreiheit des einfachen Gesetzgebers überlassen ist. Ebenso liegt es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, im Zusammenhang mit der Baubewilligung Erleichterungen vorzusehen.
Auch die übrigen Bedenken der Abgeordneten gegen § 71c der Wiener Bauordnung teilte der Verfassungsgerichtshof nicht. Weder verstößt die Bestimmung gegen die bundesverfassungsgesetzliche Kompetenzverteilung noch gegen das Rechtsstaatsprinzip oder das Recht auf ein faires Verfahren gemäß Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention.