VfGH: Recht auf Gegendarstellung kann zu unverhältnismäßigen Kosten führen
Der VfGH hat infolge eines Antrags der Wiener Stadträtin Ulli Sima eine Bestimmung des Mediengesetzes als verfassungswidrig aufgehoben. Die Entscheidung wurde heute den Verfahrensparteien zugestellt. Anlass von Simas Antrag waren Gegendarstellungen in der Zeitung „oe24 Österreich“ sowie auf der Website „oe24.at“, die sie, wie das Berufungsgericht entschied, zu Unrecht erwirkt hatte. Für diese zu Unrecht veranlassten Gegendarstellungen sowie für die Veröffentlichung des entsprechenden Berufungsurteils in den beiden Medien hätte Sima laut Mediengesetz etwa 236.000 Euro an Einschaltungsentgelt zahlen müssen (mehr dazu siehe hier). Die entsprechende Bestimmung des Mediengesetzes verstößt jedoch gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung und auf Persönlichkeitsschutz.
Die Höhe der Summe, die für zu Unrecht erwirkte Gegendarstellungen zu bezahlen ist, ist in § 17 Abs. 5 des Mediengesetzes festgelegt und hängt vor allem von den üblichen Tarifen des Mediums für Inserate und Werbeeinschaltungen ab. Das bedeutet, dass eine Person, die zur Wahrung ihres guten Rufes das grundrechtlich geschützte Recht auf eine Gegendarstellung – die sich später als unrechtmäßig erweisen kann – nutzt, ein nicht eingrenzbares finanzielles Risiko eingehen muss. Andererseits geht ein z.B. aus der großen Reichweite eines Mediums resultierendes hohes Entgelt in aller Regel mit einer entsprechenden wirtschaftlichen Stellung des Medieninhabers einher, die jener der „anderen Seite“ in vielen Fällen überlegen sein wird.
Damit, so der VfGH, ist die im Mediengesetz bestimmte Höhe der Zahlung, die Sima hätte leisten müssen, unverhältnismäßig. Sie zwingt Betroffene entweder zu einem nicht tragfähigen wirtschaftlichen Risiko oder dazu, auf eine Gegendarstellung von vorneherein zu verzichten. Zwar ist es ebenso wesentlich, Medieninhaber vor unzulässigem Zwang zu schützen, Inhalte Dritter zu veröffentlichen. Das kann aber auch sichergestellt werden, ohne dass die Zahlungsverpflichtung für letztlich unrechtmäßige Gegendarstellungen eine von vorneherein abschreckende Höhe erreicht.
Die verfassungswidrige Bestimmung tritt mit Ablauf des 30. Juni 2024 außer Kraft. Bis dahin hat der Gesetzgeber Zeit, eine Neuregelung zu treffen, die in verhältnismäßiger Weise sowohl den grundrechtlich geschützten Interessen von Medieninhabern als auch von Personen Rechnung trägt, die von unwahren oder irreführenden Tatsachenmitteilungen betroffen sind. Im Fall Simas – dem Anlassfall – tritt die Aufhebung mit sofortiger Wirkung in Kraft.
(G 297/2022)