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Die gesamthafte integrative Planung im Gesundheitswesen fällt in die Zuständigkeit des Bundes

19.08.2022

Länder müssen aber Einschaltung der Gesundheitsplanungs GmbH zustimmen

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat das im November 2021 eingeleitete Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Systems der Gesundheits-Zielsteuerung abgeschlossen und im Zuge dessen zwei Bestimmungen im Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz als verfassungswidrig aufgehoben. Die Entscheidungen wurden heute den Verfahrensparteien zugestellt.

Das Gesundheitswesen, wozu auch das Berufsrecht der selbständig niedergelassenen Ärzte gehört, ist in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache. Hingegen fallen Krankenhäuser einschließlich selbständiger Ambulatorien in die Regelungszuständigkeit der Länder; in diesem Bereich ist der Bund lediglich befugt, Grundsätze für die Landesgesetzgebung aufzustellen. 

Vor dem Hintergrund dieser Kompetenzlage haben der Bund und die Länder zwei Vereinbarungen abgeschlossen: 

  • die (unbefristete) Vereinbarung Zielsteuerung-Gesundheit und
  • die Vereinbarung über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens, die an den seit 2017 geltenden Finanzausgleich gekoppelt ist. 

In dieser zweiten Vereinbarung sind der Bund und die Länder übereingekommen, den Österreichischen Strukturplan Gesundheit (ÖSG) und die Regionalen Strukturpläne Gesundheit (RSG) als zentrale Planungsinstrumente für eine integrative Versorgungsplanung einzusetzen: Diese erstreckt sich sowohl auf die niedergelassenen Ärzte (Gesundheitswesen, Kompetenz des Bundes) als auch auf die Krankenhäuser und Ambulatorien (Länderkompetenz). Die Vereinbarung enthält auch detaillierte Bestimmungen über die Vorgangsweise zur Erarbeitung und Verbindlicherklärung des ÖSG und der RSG. 

Keine Bedenken gegen Zielsteuerungskommissionen 

Umgesetzt wird die Vereinbarung im Wesentlichen durch das Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz. Gemäß § 23 Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz obliegt es der Gesundheitsplanungs GmbH, bestimmte Teile des ÖSG und der RSG durch Verordnung für verbindlich zu erklären; diese Teile (Planausschnitte) werden von den Zielsteuerungskommissionen des Bundes und der Länder ausgewählt. Die Zielsteuerungskommissionen bestehen aus Vertretern des Bundes, der Länder und der Sozialversicherung.

Der VfGH hat gegen diese Konstruktion keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Bei der Tätigkeit dieser Kommissionen handelt es sich um einen strukturierten politischen Planungsprozess, der Sachverstand mit demokratischer Legitimation verbindet, so der VfGH. 

Bevor sie einen Planausschnitt als verbindlich erklärt, hat die Gesundheitsplanungs GmbH ein Begutachtungsverfahren durchzuführen, das auch zu einer Änderung des Planes führen kann. In diesem Fall hat die jeweilige Zielsteuerungskommission neuerlich einen Beschluss zu fassen. Die behördliche Verantwortung der GmbH für die von ihr erlassene Verordnung besteht darin, den zur Verbindlicherklärung eingereichten Planausschnitt auf seine Verfassungs- und Gesetzmäßigkeit zu prüfen. Erweist sich der Planausschnitt als rechtswidrig, so darf er nicht für verbindlich erklärt werden. Ein darüberhinausgehender (politischer) Beurteilungsspielraum kommt der GmbH nicht zu. 

Bei diesen Verbindlicherklärungen hat der Gesundheitsminister bzw. das zuständige Mitglied der Landesregierung ein Weisungsrecht. Sie dürfen davon aber nur Gebrauch machen, wenn es darum geht, eine rechtswidrige Verordnung zu verhindern. Ebenso wenig wie die GmbH können sie das Zustandekommen der Verordnung aus rechtspolitischen Gründen verhindern. 

Die Gesundheitsplanungs GmbH mit der Verbindlicherklärung von Planungen zu betrauen steht auch im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch ausgegliederte Rechtsträger. Zwar betrifft die Verbindlicherklärung einen wichtigen Teil der strategischen Gesundheitsplanung, doch handelt es sich dabei um keine Kernaufgabe staatlicher Verwaltung. Den obersten Organen des Bundes und der Länder steht zudem ein effektives Aufsichtsrecht zu, das auch die Befugnis umfasst, die Geschäftsführung der GmbH abzuberufen. 

Zustimmung der Länder zur Einsetzung der Gesundheitsplanungs GmbH fehlt 

Die Zuständigkeit der GmbH erstreckt sich sowohl auf Angelegenheiten der Krankenhäuser/Ambulatorien (Landeskompetenz) als auch auf Angelegenheiten des Gesundheitswesens bzw. niedergelassener Ärzte (Bundeskompetenz). Die Vollziehung des Gesundheitswesens unterliegt aber dem System der mittelbaren Bundesverwaltung. Demnach wird die Verwaltung des Bundes im Bereich der Länder durch den Landeshauptmann und die ihm unterstellten Landesbehörden ausgeübt; die Errichtung eigener Bundesbehörden für solche Angelegenheiten bedarf der Zustimmung der Länder (Art. 102 Abs. 1 und 4 B‑VG). Dies gilt auch dann, wenn Aufgaben der Bundesverwaltung einem selbständigen Rechtsträger zugewiesen werden. Die Einsetzung der GmbH zur Verbindlicherklärung von Planungen im Bereich des Gesundheitswesens bedurfte daher der Zustimmung der Länder. Diese fehlt jedoch. Der VfGH hat aus diesem Grund folgende Verfassungs- bzw. Gesetzwidrigkeiten festgestellt:  

  • § 23 Abs. 4 Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz verstößt gegen Art. 102 B‑VG. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2023 in Kraft.
  • Als Folge der Aufhebung des § 23 Abs. 4 G-ZG sind die auf diese Bestimmung gestützten Verordnungen der Gesundheitsplanungs GmbH, mit denen der Österreichische Strukturplan Gesundheit 2017 für verbindlich erklärt worden ist, gesetzwidrig, soweit diese Verordnungen als Verordnungen des Bundes gegolten haben. Da diese Verordnungen im Februar 2021 außer Kraft getreten sind, hat der VfGH festgestellt, dass sie gesetzwidrig waren. 

Im Zusammenhang mit der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung hat der VfGH festgestellt: 

  • § 23 Abs. 5 Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz ist verfassungswidrig. Demnach hat die Landesgesetzgebung vorzusehen, dass die Verbindlicherklärung von Planungen, die Angelegenheiten des Art. 12 B-VG, also das Krankenanstaltenrecht, betreffen, der Gesundheitsplanungs GmbH zukommt. Diese – organisationsrechtliche – Anordnung geht jedoch über die Gesetzgebungskompetenz des Bundes hinaus; sie verstößt damit gegen die bundesstaatliche Kompetenzverteilung. Auch diese Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2023 in Kraft.

Durch die Aufhebung entsteht ein grundsatzfreier Raum, in dem die Länder – trotz allfälliger Pflichten aus einer Art. 15a B-VG-Vereinbarung – entscheiden können, ob sie die Gesundheitsplanungs GmbH weiterhin mit der Verbindlicherklärung betrauen oder nicht. 

In Bezug auf Krankenhäuser ist Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz verfassungskonform 

Nicht bestätigt hat sich hingegen das weitere Bedenken des VfGH, dass das Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz insoweit kompetenzwidrig sei, als es in den §§ 18, 19 und 20 zur Erlassung von Verordnungen ermächtige, die Angelegenheiten des Krankenanstaltenrechts (Landeskompetenz) zum Gegenstand hätten. 

Diese Bestimmungen beziehen sich nur auf Planungsangelegenheiten, die in die alleinige Zuständigkeit des Bundes fallen. Diese Zuständigkeit umfasst sowohl die gesamthafte Planung im Bereich des Gesundheitswesens als auch die Grundlagenforschung durch Erhebung der Tatsachengrundlagen auch betreffend den Krankenanstaltenbereich sowie die Planung des niedergelassenen Bereiches unter Berücksichtigung der Gegebenheiten im Krankenanstaltenwesen. Die Bestimmungen können daher verfassungskonform ausgelegt werden.  

Keine Bedenken bestehen schließlich dagegen, dass in den Krankenanstaltengesetzen des Bundes und der Länder für selbständige Ambulatorien eine Bedarfsprüfung vorgeschrieben ist, die unter Bindung an den ÖSG und RSG zu erfolgen hat. 

Eine geordnete Krankenanstaltenplanung dient nämlich der Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen, ausgewogenen und allgemein zugänglichen medizinischen Versorgung und der Vermeidung einer erheblichen Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit und damit dem wichtigen öffentlichen Interesse an einem funktionierenden Gesundheitswesen. Eine Bedarfsprüfung ist daher grundsätzlich zulässig. Ob die Bedarfsbeurteilung in den RSG im Einzelnen verfassungskonform erfolgt ist, ist keine Frage der Verfassungsmäßigkeit der Krankenanstaltengesetze, sondern eine Frage der Gesetzmäßigkeit der jeweiligen Strukturplan-Verordnungen. Diese Frage war aber nicht Gegenstand des verfassungsgerichtlichen Verfahrens.

(G 334/2021 u.a. Zlen.) 

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