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VfGH beschäftigt sich etwa mit Fällen zu Klimawandel, Kartellrecht, BUWOG-Prozess

09.06.2023

Öffentliche Verhandlungen betreffend COFAG, Bundesbetreuungsagentur (BBU), Sicherstellung von Handys

In den nächsten Monaten berät der VfGH über mehrere hundert Anträge und Beschwerden, darunter die folgenden:

Sind „Klimacamp“-Workshops Versammlungen?

Im April 2021 meldete eine Frau, die sich nun an den VfGH wendet, bei der Landespolizeidirektion (LPD) Wien die Abhaltung von zwei Versammlungen in Form des „sechsten österreichischen Klimacamps“ an. Laut den Versammlungsanzeigen sollten im Mai 2021 an mehreren Tagen Workshops stattfinden, in denen die Öffentlichkeit über das Thema Klimagerechtigkeit informiert und zu Diskussionen eingeladen werden sollte.

Die LPD Wien wies diese Anzeigen zurück, weil Workshops und ähnliche Aktivitäten keine Versammlungen, sondern sonstige Veranstaltungen seien, die nicht in ihre Zuständigkeit fielen. Das Verwaltungsgericht Wien wies eine Beschwerde der Organisatorin des „Klimacamps“ ab und bestätigte damit die Entscheidung der LPD. Die Frau sieht sich durch diese Entscheidungen im Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verletzt.

(E 1142/2022 u.a.)

„Klimaklage“ gegen steuerliche Begünstigungen für die Luftfahrt

Eine Frau, die an Multipler Sklerose leidet, wendet sich mit ihrem Antrag gegen mehrere steuerliche Begünstigungen für die Luftfahrt. Diese verstießen gegen den Gleichheitsgrundsatz, aber auch gegen die Verpflichtung des Staates, das Leben und die Gesundheit des Einzelnen vor den Folgen des globalen Klimawandels zu schützen.

Die Antragstellerin bringt vor, auf Grund ihrer Krankheit durch die Erderwärmung in besonderer Weise in ihrer Gesundheit und körperlichen Integrität betroffen zu sein. Bereits bei einem mittleren Anstieg der Außentemperaturen sei sie stark in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkt; bei Temperaturen um 30 Grad Celsius sei sie auf einen Rollstuhl angewiesen.

(G 106/2022 u.a.)

Geheimhaltung von Kronzeugenprogrammen im Kartellrecht

Zwei Unternehmen aus der Baubranche stellen den Antrag, Bestimmungen des Kartellgesetzes als verfassungswidrig aufzuheben.

Gegen beide Unternehmen lief ab 2016 ein kartellrechtliches Ermittlungsverfahren. In diesem Verfahren ersuchten sie um Zuerkennung des Kronzeugenstatus, den sie wegen ihrer Zusammenarbeit mit der Bundeswettbewerbsbehörde auch erhielten. Das Kartellgericht verhängte eine Geldbuße, womit das kartellrechtliche Verfahren abgeschlossen war.

Parallel zum Kartellverfahren führt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen die beiden Unternehmen ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren. In diesem Verfahren erhielt die WKStA auch die Akten der Bundeswettbewerbsbehörde und des Kartellgerichts; damit wurden die in diesen Kartellakten enthaltenen Kronzeugenerklärungen ebenso zu einem Bestandteil des Ermittlungsaktes der Staatsanwaltschaft .

Die Unternehmen erachten es als verfassungswidrig, dass kein wirksamer Rechtsschutz gegen die Übermittlung und Verwendung von Kronzeugenerklärungen im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren bestehe. Die Anforderung und Verwendung dieser Kronzeugenerklärungen im Strafverfahren verstoße nämlich gegen das verfassungsrechtliche Verbot des Zwangs zur Selbstbezichtigung.

(G 313/2022)

Verletzte Fraktionsbericht zum U-Ausschuss Persönlichkeitsrechte?

Ein Unternehmer bringt vor, seine Persönlichkeitsrechte seien durch Äußerungen im Fraktionsbericht der Grünen zum ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss verletzt worden. In diesem Bericht wird an einer Stelle angedeutet, dass der Unternehmer in seiner Zeit als Vorsitzender des Aufsichtsrates der OMV für Gazprom „lobbyiert“ habe; diese Behauptung sei – so der Unternehmer – beleidigend und kreditschädigend.

(UA 1/2023)

COVID-19: Anträge gegen Heimquarantäne nach Einreise

In den Jahren 2020 und 2021 mussten sich Personen, die aus bestimmten Ländern nach Österreich einreisten, für mehrere Tage in selbstüberwachte Heimquarantäne begeben. Diese durfte frühestens nach fünf Tagen beendet werden. Die Regelung galt u.a. für eine Einreise aus Deutschland. Mehrere Beschwerdeführer bringen vor, dass diese in der COVID-19-Einreiseverordnung enthaltene Beschränkung unverhältnismäßig und sachlich nicht gerechtfertigt sei. (E 299/2022 u.a.)

Mattersburg: Liste ficht Wahl des Gemeindevorstandes an

Drei Mitglieder der Liste „TVM – Tschürtz Vorwärts Mattersburg“ haben die Wahl des Gemeindevorstandes von Mattersburg angefochten.

Der Gemeindevorstand hat u.a. die Aufgabe, Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit des Gemeinderates fallen, vorzuberaten. Jede im Gemeinderat vertretene Partei hat nach Maßgabe ihrer Stärke Anspruch auf Vertretung im Gemeindevorstand.

Die Anfechtung wird damit begründet, dass das bei der Gemeindevorstandswahl angewendete d’Hondtsche Verfahren verfassungswidrig sei, weil es größere Parteien systematisch begünstige. Dieser Effekt werde noch dadurch verstärkt, dass die Parteien im Gemeindevorstand im Verhältnis der Gemeinderatsmandate und nicht im Verhältnis der bei der Gemeinderatswahl erreichten Stimmen vertreten seien. Dadurch komme es zu einer doppelten Anwendung des d’Hondtschen Verfahrens, weil dieses Verfahren bereits bei der Gemeinderatswahl angewendet werde.

(W I 1/2023)

Verstöße gegen die Wahlordnung bei der Bürgermeisterstichwahl in Forchtenstein?

Eine weitere Anfechtung betrifft die Bürgermeisterstichwahl in Forchtenstein. Die ÖVP Forchtenstein behauptet, dass es bei der engeren Wahl des Bürgermeisters zu mehreren Verstößen gegen die Wahlordnung gekommen sei: In einem Wahlsprengel hätten auch Hilfskräfte an der Auszählung der Stimmen mitgewirkt, zudem sei dort die Niederschrift der Sprengelwahlbehörde nicht unterschrieben worden.

Schließlich sei es auch bei der Übermittlung der Wahlakten an die Landeswahlbehörde zu Unregelmäßigkeiten gekommen.

(W I 2/2023)

Öffentliche Verhandlungen

Darüber hinaus hält der VfGH im Juni drei öffentliche Verhandlungen ab: am 14. Juni zur COVID-19-Finanzierungsagentur (COFAG), am 19. Juni zur Bundesbetreuungsagentur (mehr zu diesen beiden Verhandlungen hier) sowie am 22. Juni zur Sicherstellung von Mobiltelefonen in Strafverfahren (nähere Informationen hier).

Weitere Fälle

Einige weitere Fälle, über die der VfGH in den nächsten Monaten ebenso berät, sind dieser Presseaussendung zu entnehmen:

  • Antrag von Ex-Finanzminister Grasser wegen BUWOG-Prozess (G 119/2023)
  • Burgenländische Landesregierung sieht verfassungswidrige Bestellung von ORF-Gremien (G 215/2022)
  • Schutzpflicht des Staates zur Abwendung von Naturkatastrophen wie Klimawandel? (E 1517/2022)
  • Klimaschutzgesetz (G 139/2021 und G 123/2023)
  • Gegen die Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln in Wien (V 203/2022)
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