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Erster Lockdown für Ungeimpfte und 2G-Regel waren gesetzeskonform

30.03.2022

Auch Zugangsregel für Nachtgastronomie verstieß nicht gegen Gleichheitsgrundsatz – Fortsetzung der Beratungen zu COVID-19-Anträgen im April

Die vom 15. bis zum 21. November 2021 geltende 5. COVID-19-Schutz­maßnahmenverordnung, die einen Lockdown für Ungeimpfte und nicht Genesene sowie einen 2G-Nachweis für bestimmte Orte vorsah, war weder gesetz- noch verfassungswidrig. Diese Entscheidung aus den jüngsten Beratungen des VfGH wurde heute den Verfahrensparteien zugestellt. Der VfGH hatte in dieser Sache eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt.

Ausgangsbeschränkungen waren in Gesamtbetrachtung verhältnismäßig

Eine Frau aus Wien hatte in ihrem Antrag geltend gemacht, dass einzelne Bestimmungen der Verordnung gesetzwidrig seien. Ein Lockdown dürfe nämlich nur verhängt werden, wenn diese Maßnahme zur Eindämmung der Pandemie „unerlässlich“ sei, „um einen drohenden Zusammenbruch der medizinischen Versorgung oder ähnlich gelagerte Notsituationen zu verhindern“, und andere, weniger einschneidende Beschränkungen nicht ausreichen (§ 6 Abs. 1 COVID-19-Maßnahmengesetz). Diese Voraussetzungen seien, so die Antragstellerin, nicht erfüllt: Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft könnten sich nämlich auch Vollimmunisierte mit dem Virus infizieren und andere anstecken. Aus demselben Grund sei es auch sachlich nicht gerechtfertigt, den Zutritt für Kunden z.B. zu Geschäften und Gastronomiebetrieben von einem 2G-Nachweis abhängig zu machen. Die Tatsache, dass getestete Personen keine solchen Betriebe betreten durften, verstoße zudem gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Der Verordnungsakt dokumentiert die epidemiologische Lage und wissenschaftliche Erkenntnisse insbesondere über die damals vorherrschende Delta-Variante von COVID-19 bzw. über deren Inzidenz. Vor diesem Hintergrund konnte der Bundesminister für Gesundheit Mitte November 2021 vertretbarerweise annehmen, dass nicht immunisierte Personen sowohl ein deutlich erhöhtes Ansteckungs- und Übertragungsrisiko als auch ein deutlich erhöhtes Risiko eines schweren Krankheitsverlaufes haben, und die Ausgangsbeschränkung für nicht immunisierte Personen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 und der Überlastung des Gesundheitssystems geeignet war. Dem Gesundheitsminister ist weiters nicht entgegenzutreten, wenn er angesichts der hohen Zahl an täglichen Neuinfektionen sowie der angespannten Situation in den Spitälern die (bloße) Vorlage eines negativen PCR-Testergebnisses als gelinderes Mittel nicht für geeignet hielt, um die prognostizierte systemkritische Belastung des Gesundheitssystems abzuwenden, sondern eine ganztägige Ausgangsbeschränkung für Personen ohne 2G-Nachweis ab dem 15. November 2021 als unerlässlich erachtete.

Gerade im Hinblick auf das Grundrecht auf Privat- und Familienleben waren zudem zahlreiche Ausnahmen von der Ausgangsregelung vorgesehen; die Ausgangsregelung war daher in einer Gesamtbetrachtung verhältnismäßig. 

Auch gegen die Betretungs- und Einlassbeschränkungen, die vom 15. bis zum 21. November 2021 nur für Personen ohne 2G-Nachweis galten, hat der VfGH keine Bedenken. Der Gesundheitsminister hat u.a. nachvollziehbar dargelegt, dass die bereits ab 8. November 2021 eingeführte Maskenpflicht in Betriebsstätten des Handels nicht ausgereicht habe, das rasant steigende Wachstum der Neuinfektionen ausreichend unter Kontrolle zu bringen.

Die Unterscheidung zwischen Geimpften und Genesenen einerseits und Personen ohne 2G-Nachweis – also etwa Getesteten – andererseits verstieß auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Das COVID-19-Maßnahmengesetz sieht vor, dass eine solche Ungleichbehandlung auf wissenschaftlich vertretbaren Annahmen über wesentliche Unterschiede in Bezug auf die Weiterverbreitung von COVID-19 beruhen muss. Dies war im Fall der 5. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung nachvollziehbar gegeben. Der Gesundheitsminister handelte auch nicht unsachlich, wenn er die Durchführung von Tests für sich allein als nicht geeignet ansah, um die prognostizierte systemkritische Belastung des Gesundheitssystems abzuwenden.

(V 294/2021)

Nachtgastronomie: PCR-Testpflicht für Genesene war sachlich gerechtfertigt

Abgewiesen hat der VfGH auch einen im August 2021 eingebrachten Antrag, der gegen die Zugangsregelung für Betriebsstätten der Nachtgastronomie gerichtet war.

Den ab 22. Juli 2021 bis 15. September 2021 geltenden Bestimmungen der 2. COVID-19-Öffnungsverordnung zufolge durften Gastronomiebetriebe generell nur von Kunden betreten werden, die einen Nachweis vorlegen konnte, der belegte, dass von ihnen eine geringe epidemiologische Gefahr ausgeht. Gaststätten, „in denen mit einer vermehrten Durchmischung und Interaktion der Kunden zu rechnen ist“, wie dies für die Nachtgastronomie (Diskotheken, Clubs und Tanzlokale) zutrifft, durften nur von Geimpften und PCR-Getesteten betreten werden. Personen, die von COVID-19 genesen waren, aber kein negatives PCR-Testergebnis vorlegen konnten, war es hingegen verboten, solche Gaststätten aufzusuchen. 

Der Antragsteller machte geltend, dass diese Differenzierung sachlich nicht gerechtfertigt sei und daher gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße; wissenschaftliche Daten würden nämlich belegen, dass genesene Personen einen gleich guten, wenn nicht sogar besseren Schutz vor einer (neuerlichen) Infektion hätten wie geimpfte.

Der Gesundheitsminister hat jedoch, so der VfGH, nachvollziehbar dargelegt, dass innerhalb von Betriebsstätten der Nachtgastronomie auf Grund der anzunehmenden vermehrten Durchmischung eines vor allem jungen Publikums mit einer niedrigen Durchimpfungsrate epidemiologisch besonders ungünstige Verhältnisse herrschen; dies auch wegen des durch lautes Sprechen, Singen und Tanzen bedingten erhöhten Aerosolausstoßes. Wenn der Gesundheitsminister daher angesichts der im Verordnungsakt dokumentierten epidemiologischen Situation und der zu diesem Zeitpunkt unsicheren Studienlage hinsichtlich der Transmissionswahrscheinlichkeit von SARS‑CoV‑2 bei Genesenen einen PCR-Test als erforderlich erachtete, bedeutete dies keine unsachliche Ungleichbehandlung gegenüber Geimpften.

Zulässig war es auch, dass in diesem Zusammenhang nur der Nachweis eines negativen PCR‑Tests – und nicht auch ein negativer Antigentest – den Zutritt verschaffen konnte. Diese Differenzierung entspricht den Unterschieden in der Genauigkeit dieser Tests.

(V 231/2021)

Auch über Anträge gegen die 6. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung – sie sah ein zweites Mal einen Lockdown für Ungeimpfte sowie die 2G-Regel vor und galt vom 12. Dezember 2021 bis 30. Jänner 2022 – fand am 15. März eine öffentliche Verhandlung statt. Über diese Anträge finden im April weitere Beratungen statt.

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