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VfGH beschäftigt sich mit Untersuchungsausschuss sowie  Grundversorgung mit Strom und Gas

23.02.2024

Ab Montag mehrwöchige Beratungen etwa auch zu Grenzkontrollen zu Slowenien

In den nächsten Wochen berät der VfGH über mehrere hundert Anträge und Beschwerden, darunter die folgenden:  

Anträge zum Untersuchungsausschuss „ROT-BLAUER Machtmissbrauch“

Abgeordnete der SPÖ und FPÖ haben zwei Anträge eingebracht, die den Untersuchungsausschuss „ROT-BLAUER Machtmissbrauch“ betreffen. Der von der ÖVP verlangte U-Ausschuss beschäftigt sich damit, ob zwischen 2007 und 2020 in von der SPÖ oder FPÖ geleiteten Ministerien öffentliche Gelder im Bereich der Vollziehung des Bundes sachwidrig verwendet wurden.

In einem Antrag wenden sich die Abgeordneten dagegen, dass Mandatare der ÖVP und der Grünen es in einer Ausschusssitzung abgelehnt („bestritten“) haben, auch staatsanwaltliche Akten aus dem Justizministerium etwa bezüglich einstiger Ermittlungen rund um die Agentur Mediaselect anzufordern. Dieser Bestreitungsbeschluss ist nach Ansicht der SPÖ- und FPÖ-Abgeordneten rechtswidrig, weil der gesamte Untersuchungsgegenstand dieses Ausschusses rechtswidrig sei; abgesehen davon sei die Ablehnung nicht begründet worden.

Mit denselben Argumenten wenden sich die SPÖ- und FPÖ Abgeordneten auch dagegen, dass Mandatare der ÖVP und der Grünen es in einer Ausschusssitzung abgelehnt („bestritten“) haben, Unterlagen von allen 14 Mitgliedern der Bundesregierung – also auch von Regierungsmitgliedern, die der ÖVP zuzurechnen sind – anzufordern, obwohl die ÖVP über Koalitionsabkommen stets mit der SPÖ oder der FPÖ verbunden gewesen sei.

(UA 1/2024, UA 2-15/2024) 

Prüfung der Bestimmungen zur Grundversorgung mit Strom und Erdgas

Der VfGH hat im Oktober 2023 beschlossen, die Bestimmungen im Elektrizitätswirtschafts- und ‑organisationsgesetz (ElWOG 2010) und im Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) über die Grundversorgung mit Strom und Erdgas von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Den Anlass für die Einleitung dieses Gesetzesprüfungsverfahrens bilden Anträge bzw. Beschwerden von Energieversorgungsunternehmen sowie des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien.

Die in Prüfung gezogenen Regelungen sehen vor, dass Strom- bzw. Gasversorgungsunternehmen gegenüber Verbrauchern zur Grundversorgung von Haushaltskunden mit Strom bzw. Erdgas verpflichtet sind, wenn sich diese auf ihr Recht auf Grundversorgung berufen. Der Tarif für diese Grundversorgung darf nicht höher sein als jener Tarif, zu dem das Energieversorgungsunternehmen die größte Anzahl seiner Haushaltskunden versorgt.

Der VfGH geht in seinem Prüfungsbeschluss vom Oktober 2023 vorläufig davon aus, dass diese Regelungen vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Vorgaben unterschiedlich verstanden werden können. Dabei sei fraglich, welchen Inhalt die Verpflichtung zur Leistung von Grundver­sorgung hat und welchen Zwecken sie dient. Damit stellen sich unter verfassungsrechtlichem Blickwinkel Fragen der ausreichenden Klarheit der Regelung ebenso wie, je nach möglicher Auslegung, ihrer Sachlichkeit im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz und ihrer Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Schutz von Eigentums- und Erwerbsfreiheit der verpflichteten Energieversorgungsunternehmen.

Der VfGH hat nun zu entscheiden, welchem Verständnis von „Grundversorgung“ diese Regelungen tatsächlich folgen und ob sie – so verstanden – der Verfassung entsprechen.

(G 1102-1107/2023) 

Grenzkontrollen zu Slowenien

Ein Kärntner hat gegen die in den Jahren 2021 und 2022 durchgeführten Grenzkontrollen zwischen Österreich und Slowenien Beschwerde an den VfGH erhoben.

Die am 3. November 2021 kundgemachte Verordnung des Bundesministers für Inneres über die vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen zu Slowenien und Ungarn sah vor, dass in der Zeit vom 3. November 2021 bis 11. Mai 2022 die Binnengrenzen zu Slowenien und zu Ungarn im Verkehr zu Lande nur an Grenzübergangsstellen überschritten werden dürfen.

Der Beschwerdeführer passierte im Dezember 2021 die Grenzübergangsstelle Grablach/Grablje mit seinem Pkw, ohne anzuhalten und sich der Grenzkontrolle zu stellen. Daraufhin verhängte die Landespolizeidirektion Kärnten über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe, weil er durch sein Verhalten das Grenzkontrollgesetz missachtet habe. Die gegen diesen Strafbescheid erhobene Beschwerde wurde vom Landesverwaltungsgericht Kärnten abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hält diese Entscheidung für verfassungswidrig. Aus einem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom April 2022 sei nämlich abzuleiten, dass die Einführung und Verlängerung von Grenzkontrollen im Schengenraum nur dann zulässig sei, wenn jeweils eine ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit vorliege, die eine solche Maßnahme rechtfertige. Eine solche Bedrohung sei aber im Jahr 2021 nicht erkennbar gewesen. Die mit Verordnung des Bundesministers für Inneres vom November 2021 neuerlich eingeführte Grenzkontrollpflicht sei sachlich nicht gerechtfertigt und verstoße daher sowohl gegen Unionsrecht als auch gegen den Gleichheitsgrundsatz.

(E 1192/2023) 

Freiwilliger Besuch eines 11. und 12. Schuljahres für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hält die Voraussetzungen für die Verlängerung des Besuchs von öffentlichen Pflichtschulen für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf für verfassungswidrig. Es hat daher den Antrag an den VfGH gestellt, eine Bestimmung des Schulunterrichtsgesetzes aufzuheben.

Nach § 32 Schulunterrichtsgesetz können Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf die allgemeinbildende Pflichtschule drei Jahre über die Erfüllung der (neunjährigen) Schulpflicht hinaus freiwillig besuchen. Die Absolvierung eines 11. und 12. Schuljahres bedarf der Bewilligung der zuständigen Schulbehörde (Bildungsdirektion), der Schulerhalter (bei öffentlichen Pflichtschulen das Land, die Gemeinde oder der Gemeindeverband) muss zustimmen.

Das BVwG hält es für verfassungswidrig, dass die freiwillige Verlängerung des Besuchs der allgemeinbildenden Pflichtschulen für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf von der Zustimmung des jeweiligen Schulerhalters abhängig gemacht wird. Die angefochtene Bestimmung des Schulunterrichtsgesetzes widerspreche sowohl dem Gleichheitsgrundsatz als auch dem Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern und dem Determinierungsgebot nach Art. 18 B‑VG.

Der Anlass für dieses Gesetzesprüfungsverfahren ist die Beschwerde eines 18-jährigen Niederösterreichers gegen einen Bescheid der Bildungsdirektion für Niederösterreich, mit dem diese den Antrag auf Bewilligung eines freiwilligen 12. Schuljahres abgewiesen hat, weil die Gemeinde (als Schulerhalterin) eine negative Stellungnahme („aus Platzgründen nicht möglich“) abgegeben habe.

(G 259/2023)

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