Tätigkeitsbericht: Verfassungsgerichtshof schloss 2016 fast 3900 Fälle ab
Der Verfassungsgerichtshof blickt auf ein arbeitsintensives, aber auch erfolgreiches Jahr 2016 zurück. Aus dem Tätigkeitsbericht 2016, den der Gerichtshof in diesen Tagen an den Bundeskanzler und das Parlament übermittelt hat, geht hervor, dass die Richterinnen und Richter im Vorjahr 3898 Fälle erledigt haben. Dies entspricht im Vergleich zu 2015 (3485) einer Steigerung um mehr als zehn Prozent, obwohl mit der Anfechtung der Bundespräsidentenstichwahl auch ein Verfahren mit zuvor kaum gekannten Herausforderungen zu erledigen war. Die durchschnittliche Verfahrensdauer sank von 153 auf 143 Tage vom Eingang der Rechtssache bis zur Abfertigung der Entscheidung.
Den 3898 Erledigungen standen 3920 neu anhängig gewordene Verfahren gegenüber. 976 Rechtssachen waren aus den Vorjahren noch anhängig, Ende 2016 waren daher 998 Fälle offen.
In 184 Fällen (5 Prozent aller Erledigungen) gab der Gerichtshof den Beschwerden bzw. Anträgen statt, 233 Mal (6 Prozent) sprachen die Richterinnen und Richter eine inhaltliche Abweisung aus. 338 Rechtssachen (8 Prozent) wies der Gerichtshof aus formalen Gründen zurück, 1318 mal (34 Prozent) lehnte er die Behandlung mangels Aussicht auf Erfolg ab. 1750 mal (45 Prozent) wurden Anträge auf Verfahrenshilfe negativ beschieden.
Ein hoher Prozentsatz des Geschäftsanfalls (1726 Zugänge, 44 Prozent aller neu eingebrachten Verfahren) entfiel auf das Asylrecht.
Von großer Bedeutung war auch die erst 2015 eingeführte Möglichkeit der Gesetzesbeschwerde im Zusammenhang mit Verfahren vor einem ordentlichen Gericht. Insgesamt wurden 283 Parteianträge auf Normenkontrolle eingebracht. Die ursprüngliche Annahme von rund 150 Fällen pro Jahr wurde damit wie schon im Jahr davor deutlich übertroffen. Dieses neue Rechtsschutzinstrument stellt den Verfassungsgerichtshof auch qualitativ vor neue Fragen. Im Berichtsjahr 2016 etwa wurde in einer Entscheidung geklärt, dass in einem zweiseitigen Rechtsmittelverfahren ein Parteiantrag auch dann zulässig ist, wenn das Rechtsmittel vor dem ordentlichen Gericht nicht vom Antragsteller, sondern von einer anderen Partei eingebracht worden ist.
Besondere öffentliche Aufmerksamkeit erfuhr 2016 das Verfahren zur Bundespräsidentenwahl. In einer öffentlichen Verhandlung, die sich letztlich über einen Zeitraum von sechs Tagen erstreckte, hörte der Gerichtshof mehrere Dutzend Zeugen. Am 1. Juli 2016 schließlich hoben die Richterinnen und Richter erstmals eine bundesweite Wahl komplett auf und ordneten eine neuerliche Durchführung an.
Ebenfalls aufgehoben hat der Verfassungsgerichtshof im Jahr 2016 die Bezirksvertretungswahl 2015 in Wien-Leopoldstadt. Weitere wichtige Entscheidungen besagten, dass es keine verfassungsmäßigen Rechte verletze, wenn die Gründung eines Vereins für Sterbehilfe untersagt wird. Bestätigt haben die Richter die Regelung, dass subsidiär Schutzberechtigte ihren Aufenthaltsstatus verlieren, wenn sie wegen eines Verbrechens verurteilt werden.
Weiters hat der Verfassungsgerichtshof entschieden, dass von ihm geprüfte Regelungen betreffend die Registrierkassenpflicht, die Verbandsverantwortlichkeit im Strafrecht, das Glücksspielmonopol sowie die Kürzung von Sonderpensionen staatsnaher Unternehmen (Oesterreichische Nationalbank, Verbund, etc.) nicht als verfassungswidrig aufzuheben waren. Klargestellt wurde außerdem, dass die im Parteiengesetz verankerte Obergrenze für Wahlkampfkosten nur für die Bundesebene und nicht für die Länder gilt.