Zeitungsverkauf mittels Selbstbedienungstaschen ist von Pressefreiheit umfasst
Der Zeitungsverkauf mittels Selbstbedienungstaschen ist vom Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst. Eine gegenteilige Auslegung der Gewerbeordnung ist verfassungswidrig, so der VfGH in einem Erkenntnis, das kürzlich den Verfahrensparteien zugestellt wurde.
Personen, die an Sonn- und Feiertagen Selbstbedienungstaschen bereitstellen, mit denen Tageszeitungen zum Verkauf angeboten werden, werden als „SB-Verkäufer“ bezeichnet. Ein solcher SB-Verkäufer hatte sich gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom Jänner 2021 beschwert, wonach er für seine Tätigkeit eine Gewerbeberechtigung „Güterbeförderung“ benötige.
Im Zusammenhang mit der Pressefreiheit ist auch der sogenannte Kleinverkauf periodischer Druckwerke seit jeher von der Gewerbeordnung ausgenommen (§ 2 Abs. 1 Z 18 Gewerbeordnung 1994). Diese Ausnahme gilt entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts Wien auch, obwohl der SB-Fahrer bei der Kaufhandlung der Endkunden nicht anwesend ist. Die Pressefreiheit erfasst nämlich auch den spezifischen Vertriebsweg des Verkaufs von Zeitungen an Letztverbraucher durch die Bereitstellung von Selbstbedienungstaschen.
Ein Wesensmerkmal des Zeitungsverkaufs über Selbstbedienungstaschen ist es, so der VfGH, dass beim konkreten Kaufabschluss nur der Letztverbraucher am Verkaufsort anwesend ist. Der Transport und das Aufstellen der Selbstbedienungstaschen, ihr Befüllen sowie das Anbringen der Kassenbehälter stellen für das Zustandekommen des konkreten Zeitungskaufs notwendige und mit der Distribution an Letztverbraucher eng verbundene Arbeitsschritte dar. Diese Tätigkeit fällt daher – ebenso wie die Herausgabe der Zeitungen – unter den Schutzbereich der Pressefreiheit.
Indem das Verwaltungsgericht Wien davon ausging, dass die Tätigkeit eines SB-Verkäufers keinen nennenswerten Bezug zum Kleinverkauf von Zeitungen habe und daher nicht als Kleinverkauf anzusehen sei, hat es der Gewerbeordnung einen Inhalt unterstellt, der ihr im Lichte der Pressefreiheit nicht zukommt. Die angefochtene (Straf‑)Entscheidung dieses Verwaltungsgerichts wurde daher aufgehoben.
(E 1042/2021)