VfGH weist Anträge zum U-Ausschuss teilweise ab, teilweise als unzulässig zurück
Im Rahmen seiner laufenden Beratungen hat der VfGH über vier Anträge in Bezug auf den ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss entschieden. Drei davon waren von Mitgliedern der ÖVP-Fraktion des U-Ausschusses eingebracht worden, ein Antrag von der Bundesministerin für Justiz Alma Zadić.
Vorlage von Chats: ÖVP-Abgeordnete hätten Verlangen näher begründen müssen
Der VfGH hat zwei Anträge von NR-Abg. Andreas Hanger und drei weiteren Abgeordneten der ÖVP abgewiesen, die auf die unverzügliche Erhebung und Vorlage von Chats zwischen Thomas Schmid, dem früheren Generalsekretär im Finanzministerium, und Personen mit einem Naheverhältnis zur SPÖ oder FPÖ an den ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss abzielten.
Justizministerin Alma Zadić hatte es abgelehnt, diese Erhebungen durchzuführen. Es sei nämlich nicht offenkundig, inwiefern die verlangten Erhebungen in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Gegenstand des U‑Ausschusses stünden, also für diesen wenigstens abstrakt relevant seien. Damit hat die Justizministerin gegenüber dem U-Ausschuss ausreichend begründet, warum sie dem Verlangen der ÖVP-Abgeordneten nicht nachgekommen ist.
Der VfGH stellt nun fest, es sei zwar einerseits hinreichend klar, dass sich das Ziel der Untersuchung nicht auf Sachverhalte bezieht, die mit den verlangten Chats in Zusammenhang stehen. Es ist also nicht offenkundig, dass die verlangten Beweiserhebungen das Kriterium erfüllen, für den Untersuchungsgegenstand abstrakt relevant zu sein. Andererseits ist, so der VfGH, nicht völlig auszuschließen, „dass auch die Kommunikation von nicht mit der ÖVP verbundenen Personen auf Grund besonderer Konstellationen eine (potentielle) abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand haben kann“.
Allerdings hätten die Abgeordneten der ÖVP ihr Verlangen näher begründen müssen, weswegen ihr Antrag abzuweisen war.
(UA 92-93/2022)
Befragung von Schmid: Antrag der Justizministerin zurückgewiesen – Keine Meinungsverschiedenheit
Als unzulässig zurückgewiesen wurde der Antrag der Bundesministerin für Justiz, über eine Meinungsverschiedenheit mit dem ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss zu entscheiden. Die Voraussetzungen für eine inhaltliche Entscheidung über diesen Antrag liegen nicht vor, weil noch keine Meinungsverschiedenheit entstanden ist.
Die Justizministerin hatte Ende Oktober 2022 den Vorsitzenden des U-Ausschusses ersucht, ein Konsultationsverfahren einzuleiten. Sie begründete dieses Ersuchen damit, dass die Befragung des früheren Generalsekretärs des Finanzministeriums Thomas Schmid strafrechtliche Ermittlungsverfahren der WKStA gefährden würde, weil die Einvernahme von Schmid in diesen Verfahren noch nicht abgeschlossen sei.
Nach Besprechungen zwischen u.a. Vertretern des Justizministeriums, der WKStA und den Ausschuss-Fraktionen, die ohne Ergebnis endeten, wandte sich die Justizministerin am 2. November dieses Jahres an den VfGH. Sie beantragte unter anderem, der VfGH möge aussprechen, dass es erforderlich sei, eine Konsultationsvereinbarung (zwischen dem Justizministerium und dem U-Ausschuss) mit dem von ihr vorgeschlagenen Inhalt abzuschließen.
Die Verfassung (Art. 138b Abs. 1 Z 6 B-VG) legt fest, dass der VfGH über „Meinungsverschiedenheiten“ zwischen einem U-Ausschuss und dem Justizminister über das Erfordernis und die Auslegung einer Vereinbarung über die Rücksichtnahme auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden entscheidet.
Der VfGH stellt nun fest, dass eine Meinungsverschiedenheit (erst) vorliegt, wenn der U-Ausschuss einen förmlichen, ausdrücklichen Beschluss fasst, mit dem das Erfordernis einer von der Justizministerin verlangten Konsultationsvereinbarung oder eine bestimmte Auslegung einer geltenden Vereinbarung bestritten wird. Einen solchen Beschluss, der die Meinung des U-Ausschusses unmissverständlich zum Ausdruck bringt, gibt es aber nicht. Da somit nicht von einer Meinungsverschiedenheit zwischen der Justizministerin und dem U‑Ausschuss gesprochen werden kann, erwies sich der Antrag der Justizministerin als unzulässig.
Für die Dauer des weiteren Konsultationsverfahrens darf der U-Ausschuss keine Handlungen setzen, durch welche die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden berührt werden könnte. Diese Hemmung endet, sobald der U-Ausschuss einen Beschluss über das Erfordernis oder über die Auslegung einer Konsultationsvereinbarung gefasst hat, spätestens jedoch drei Monate nach Einleitung des Konsultationsverfahrens.
(UA 94/2022)
Daten der WKStA: Endgültig abgelehntes Beweisverlangen kann nicht wiederholt werden
Der VfGH hat einen Antrag von vier ÖVP-Mitgliedern des U-Ausschusses betreffend die „Usermail“-Accounts der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) teilweise ab- bzw. teilweise als unzulässig zurückgewiesen.
Am 20. Oktober dieses Jahres hatten die ÖVP-Mitglieder ein zweites Mal vom U-Ausschuss verlangt, er möge die Justizministerin um bestimmte Daten ersuchen: Demnach sollte die Ministerin den Datenbestand der „Usermail“-Accounts der WKStA sowie die gesamte schriftliche und (sonstige) elektronische Kommunikation innerhalb der WKStA, soweit sie mit dem Untersuchungsgegenstand zusammenhängt, erheben und dem U‑Ausschuss vorlegen.
Der U-Ausschuss lehnte dieses Verlangen am selben Tag mit Beschluss ab. In derselben Sitzung beschloss der U-Ausschuss jedoch eine eigene Beweisanforderung an die Justizministerin, die sich teilweise mit dem abgelehnten Verlangen der Minderheit des Ausschusses, d.h. der ÖVP-Mitglieder, deckt. Nach dieser Beweisanforderung muss die Justizministerin jedoch nur den Datenbestand mit Bezug zu Behörden vorlegen, die der WKStA übergeordnet sind. Auch sind demnach allein die Inhalte von Chatgruppen im Ibiza-Verfahren zu erheben; schließlich sind nur Akten und Unterlagen vorzulegen, die nicht bereits vorgelegt worden sind.
Diese eigene Beweisanforderung des U-Ausschusses hat, so der VfGH, die anfängliche Streitigkeit zwischen Ausschuss und Minderheit teilweise beendet, nämlich insoweit, als die Beweisanforderungen des Ausschusses und der Minderheit übereinstimmen. Da somit zum Teil keine Streitigkeit (mehr) vorliegt, hat der VfGH den entsprechenden Teil des Antrags als unzulässig zurückgewiesen.
Soweit das Verlangen der ÖVP-Abgeordneten über die Beweisanforderung des U‑Ausschusses hinausgeht, hat es der U-Ausschuss zu Recht abgelehnt. Das Verlangen vom 20. Oktober stimmt nämlich inhaltlich mit einem früheren Verlangen vom 15. September überein, das vom U-Ausschuss ebenfalls abgelehnt, d.h. bestritten, worden war. Ein Verlangen, zu dem es bereits einen endgültigen Bestreitungsbeschluss gibt, kann jedoch grundsätzlich nicht wiederholt werden. Die ÖVP-Abgeordneten haben nicht dargelegt (und es war für den VfGH auch nicht erkennbar), dass seit dem 15. September maßgebliche Änderungen eingetreten wären. Der Antrag der ÖVP-Abgeordneten, den Bestreitungsbeschluss des U‑Ausschusses für rechtswidrig zu erklären, wurde daher in diesem Umfang abgewiesen.
(UA 95/2022)