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UN-Hochkommissar für Menschenrechte
Volker Türk Festredner beim Verfassungstag

01.10.2024

Festakt aus Anlass des Beschlusses der Bundesverfassung am 1. Oktober 1920

Verfassungstag 2024 (Foto: Achim Bieniek) 
Verfassungstag 2024 (Foto: Achim Bieniek)

Nicht nur für die eigenen Rechte einstehen, sondern auch für die gleichen Rechte anderer Menschen, die sich selbst nicht verteidigen können: Dazu rief der UN-Hochkommissar für Menschenrechte Volker Türk heute als Festredner des Verfassungstages 2024 im VfGH auf. Mit dem Verfassungstag erinnert der VfGH alljährlich an den Beschluss des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Konstituierenden Nationalversammlung am 1. Oktober 1920.

Verfassungsministerin Edtstadler hielt in ihren Grußworten fest, das Wahlrecht sei eines der wichtigsten Instrumente der freien Meinungsäußerung in einer Demokratie. In Österreich gelte das Prinzip der repräsentativen Demokratie. „Ob man das Wahlergebnis als Momentaufnahme sieht, als Resümee oder Ausdruck der Zufriedenheit oder Unzufriedenheit mit der Politik der vergangenen Jahre – es hat jedenfalls Gültigkeit bis zur nächsten Wahl, weil sich daraus die Mandate für die Abgeordneten im Nationalrat und Mehrheiten ableiten. Und das verdient Respekt und Anerkennung“, so Karoline Edtstadler.

Grabenwarter: Die verfassungsgerichtliche Wahlprüfung ist bedeutend für ein rechtsstaatliches Wahlverfahren

VfGH-Präsident Grabenwarter am Verfassungstag 2024 (Foto: Achim Bieniek)  
VfGH-Präsident Grabenwarter am Verfassungstag 2024 (Foto: Achim Bieniek)

Die Tatsache, dass 2024 zahlreiche Wahlgänge stattfinden, nahm VfGH-Präsident Grabenwarter zum Anlass, auf die Bedeutung eines rechtsstaatlichen Wahlverfahrens hinzuweisen. Die Nachprüfung der Bundespräsidentenwahl 2016 durch den VfGH habe gezeigt, wie wichtig die verfassungsgerichtliche Kontrolle dabei sei. Die Bevölkerung dürfe zu Recht auf ein korrekt ermitteltes Ergebnis vertrauen. 

Der Blick am Verfassungstag könne angesichts der unruhigen Zeiten im Osten Europas, im Nahen Osten und anderen Teilen der Welt, so Grabenwarter, nicht auf Österreich und das benachbarte Ausland beschränkt werden. Er verwies darauf, dass weit über die Hälfte der jährlich etwa 5.000 Fälle am VfGH Menschenrechte betreffen und einen Auslandsbezug haben.

Grabenwarter wies auch auf die – gemeinsam mit der Stiftung Forum Verfassung organisierte – Veranstaltung „Verfassung im Dialog“ am 4. Und 5. Oktober hin, die erstmals vor dem Sitz des VfGH in der Wiener Innenstadt stattfindet. Der VfGH lade die Bevölkerung dazu ein, die Verfassung aus erster Hand kennenzulernen und ihren Wert für die demokratische Gesellschaft zu erfahren.

Türk: Grundrechte müssen auch gegen den Willen der Mehrheit geschützt werden

UN-Hochkommissar Volker Türk analysierte in seiner Festrede, warum auch die nationalen Verfassungsgerichte eine Rolle dabei spielen, die – in der UN-Charta und damit international verankerten – Menschenrechte effektiv umzusetzen. In den Verfassungen verankerte Grundrechte sind als Menschenrechte mit konkreten rechtlichen Auswirkungen zu verstehen.

UN-Hochkommissar für Menschenrechte Volker Türk (Foto: Achim Bieniek) 
UN-Hochkommissar für Menschenrechte Volker Türk bei seinem Vortrag am Verfassungstag 2024 (Foto: Achim Bieniek)

Türk plädierte für einen gegenseitigen Austausch zwischen nationalen Gerichten sowie UN-Menschenrechtsmechanismen und nannte als ein Beispiel dafür die VfGH-Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung mit dem darin festgehaltenen Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welche zu einer dynamischen internationalen Debatte beitrage. In Fragen wie diesen müsse die Verfassungsgerichtsbarkeit „wie ein dreiäugiges Chamäleon“ neben der Gegenwart auch Vergangenheit und Zukunft im Auge behalten: Welche gewollten oder ungewollten Langzeitfolgen können Gesetze haben, die ein gegenwärtiges Problem – Türk nannte hier die Terrorbekämpfung – vermeintlich effektiv lösen?

Auch müssten sich die Verfassungsgerichte der Rechte derer annehmen, die keine demokratische Mehrheit finden; schon Kelsen habe, so Volker Türk, herausgearbeitet, dass Grundrechte auch in einer Demokratie gegen den Mehrheitswillen geschützt werden müssen. Mit einem Blick auf die Menschenrechte zu Asyl und Schutz vor Verfolgung betonte er, dass die Verfassungsgerichtsbarkeit rechtswidrigen Auswüchsen die Stirn bieten müsse, auch wenn dies unpopulär sei.

Der Verfassungstag 2024 wurde musikalisch von Timna Brauer und Marwan Abado begleitet (Foto: Achim Bieniek) 
Der Verfassungstag 2024 wurde musikalisch von Timna Brauer und Marwan Abado begleitet (Foto: Achim Bieniek)

Österreich habe, so Türk, 2014 durch die Anwendbarkeit des Strafrechts auf schwere Menschenrechtsverbrechen wie Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein wichtiges Zeichen gesetzt. Damit können Tatverdächtige, die im Ausland Menschrechtsverbrechen begangen haben, unter bestimmten Bedingungen auch im Inland angeklagt werden. Es bedürfe jedoch noch stärkerer institutioneller Verankerung, damit Österreich seinen Beitrag zur Bekämpfung der Straflosigkeit von Menschenrechtsverbrechen effektiv leisten könne.

Türk beendete seine Festrede mit einem Satz der Schriftstellerin Maya Angelou: „Menschenrechte und Gerechtigkeit sind wie die Atemluft – entweder haben wir sie alle, oder niemand von uns hat sie.“

Ehrengäste des VfGH am Verfassungstag 2024 (Foto: Achim Bieniek) 
Ehrengäste des VfGH am Verfassungstag 2024 (Foto: Achim Bieniek)
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