Verfassungstag beging hochkarätig „runden“ Geburtstag
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Nach der Eröffnung durch VfGH-Vizepräsident Univ.-Prof. DDr. Christoph Grabenwarter richteten Bundeskanzlerin Dr. Brigitte Bierlein und Bundespräsident Univ.-Prof. Dr. Alexander Van der Bellen Grußworte an die mehr als 140 geladenen Gäste. Den Festvortrag hielt die Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek Dr. Johanna Rachinger. Anlässlich der Beschlussfassung über das Bundes-Verfassungsgesetz am 1. Oktober 1920 wird seit 1990 alljährlich im Verfassungsgerichtshof der „Verfassungstag“ begangen. Unter den Gästen waren der frühere Bundespräsident Univ.-Prof. Dr. Heinz Fischer, Vizekanzler und Justizminister Univ.-Prof. Dr. Clemens Jabloner, Innenminister Dr. Wolfgang Peschorn, Familienministerin Mag. Ines Stilling, Bundesratspräsident Karl Bader sowie die Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes, Univ.-Prof. Dr. Rudolf Thienel, und des Obersten Gerichtshofes, Hon.-Prof. Dr. Elisabeth Lovrek, sowie Rechnungshof-Präsidentin Dr. Margit Kraker.
Vizepräsident Christoph Grabenwarter: „Verfassung gibt Halt in Krisensituationen“
VfGH-Vizepräsident Christoph Grabenwarter erklärte in seiner Eröffnung, in den vergangenen knapp 30 Jahren habe sich der Verfassungstag „als eine wichtige Veranstaltung zur Bekräftigung des Bekenntnisses zu einer demokratischen Republik und zum Rechtsstaat in der Öffentlichkeit unseres Landes etabliert“. „Nächstes Jahr feiern wir den hundertsten Jahrestag. Bereits in diesem Jahr gibt es ein paar ‚kleine Verfassungsjubiläen‘ im Gedenken an Ereignisse zu feiern, die für das weitere Schicksal Österreichs bedeutend waren“, so der VfGH-Vizepräsident, der in diesem Zusammenhang auf den 100. Jahrestag des Abschlusses des Staatsvertrags von St. Germain, die Einführung des Frauenwahlrechts, den 90. Jahrestag der Beschlussfassung der Verfassungsnovelle im Dezember 1929 sowie den Beitritt zur Europäischen Union vor 25 Jahren hinwies.
Die Formulierung des Herrn Bundespräsidenten aufgreifend sagte Grabenwarter, die Bundesverfassung sei auch deshalb elegant, „weil sie ohne übertriebenes Pathos auskommt. Sie ist in ihrem Kern, dem Staatsorganisationsrecht, eine Spielregelverfassung ohne Brimborium“. Und schließlich erweise sich die elegante Bundesverfassung in der tagtäglichen Handhabung einfach als „ein robustes Regelwerk, das Gewalten teilt, Macht effektiv begrenzt und Freiheit garantiert. Anders gewendet: Sie ist ein normatives Kompendium, das in Krisensituationen bei kluger Anwendung Halt gibt“, betonte der VfGH-Vizepräsident.
An der Spitze der Bundesregierung stünden mit Brigitte Bierlein und Clemens Jabloner derzeit eine ehemalige Präsidentin und ein ehemaliger Präsident eines Höchstgerichts. „Bundespräsident und Nationalrat haben gute Gründe, diesen Personen das Vertrauen zu schenken. Gerade in politisch schwierigen Zeiten kommt in dieser Häufung von Höchstgerichtspräsidenten in der Regierung nicht nur zum Ausdruck, dass diese Persönlichkeiten selbst höchstes Ansehen genießen. Auch das Vertrauen in die Staatsfunktion Gerichtsbarkeit wird darin reflektiert. Das wiederum stärkt im Ergebnis die Rechtsstaatlichkeit“, so Grabenwarter. Mit Verweis auf Entwicklungen wie jene in Polen und anderen Staaten Europas erklärte der VfGH-Vizepräsident, „unser Beitrag als Verfassungsgerichtshof ist dabei, dass wir unsere Arbeit, so gut wir können, Tag für Tag verrichten, und das, was wir tun, auch transparent machen, soweit es die Gesetze zulassen.“
Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein: Verfassung „Basis für eine stabile Demokratie“
Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein erklärte in ihrer Rede, für sie persönlich sei dieser Verfassungstag „eine Heimkehr an eine Institution, an der ich über 16 Jahre tätig sein durfte und die mir sehr am Herzen liegt und immer am Herzen liegen wird.“ Die Entstehung der Bundesverfassung 1920 sei ein Musterbeispiel dafür, wie gesellschaftliche und politische Konflikte gelöst werden können: „Eine beeindruckende Leistung von Hans Kelsen sowie Karl Renner, Michael Mayr, Adolf Merkl und Ludwig Adamovich senior. Die Klarheit des Verfassungstextes und die wohlüberlegte Beschränkung auf Institutionelles und Prozedurales ermöglichen – wie sich gerade aktuell zeigt – einen soliden Fortgang der Staatsgeschäfte, eine stabile Führung des Gemeinwesens auch in politisch turbulenten Zeiten und unter nicht vorhergesehenen Rahmenbedingungen“, betonte die Kanzlerin.
Gerade zwei Tage nach der Nationalratswahl sei wichtig, daran zu erinnern: „Es muss stets darum gehen, Vertrauen aufzubauen, Gesprächs- und Kompromissbereitschaft zu zeigen, alle Möglichkeiten unseres Bundesverfassungsgesetzes gut zu nutzen und mit Leben zu erfüllen.“ Die österreichische Verfassung sei „Basis für unsere stabile Demokratie, für eine hervorragende rechtsstaatliche Ordnung und für die Sicherung von Grund- und Menschenrechten. Unsere Verfassung hat sich in ihrem 100. Jahr bewährt wie selten zuvor“, so Bierlein. Die Bundeskanzlerin appellierte, wachsam zu bleiben. „Es liegt an uns, diese letztlich doch auch fragile Grundlage unseres Zusammenlebens sorgsam zu schützen, weiter zu entwickeln und jeden Tag von Neuem zu verteidigen. Diese Aufgabe kommt uns allen, aber insbesondere der jungen Generation zu. Ihr Engagement stimmt mich optimistisch.“
Bundespräsident Van der Bellen: „Bundesverfassung war mir wie eine Landkarte“
Bundespräsident Alexander Van der Bellen erinnerte vor der Festversammlung an die Übernahme der Regierungsgeschäfte durch die ehemalige VfGH-Präsidentin Brigitte Bierlein und dankte der Bundeskanzlerin „an Ihrer früheren Wirkungsstätte für die gute Amtsführung“. Es sei ihm bereits während der Regierungskrise klar gewesen, „dass die dramatischen 17 Tage im Mai und Juni, verfassungsrechtlich ohne Beispiel in der Zweiten Republik sind“. „Die Bundesverfassung war mir wie eine Landkarte, die einen Weg zur Lösung der Regierungskrise vorgezeichnet hatte“, so der Bundespräsident.
Er sei immer noch beeindruckt davon, „dass die Verfassungsväter offenbar die unterschiedlichsten Problemstellungen, vor denen die Republik und der Bundespräsident stehen können, durchgedacht und sich dafür einen Lösungsweg überlegt haben“. In den Mai- und Junitagen habe er deshalb „– natürlich ein bisschen poetisch – von der Eleganz und Schönheit der Verfassung gesprochen. Daran halte ich fest.“
Generaldirektorin Rachinger: Nationalbibliothek als Spiegel der österreichischen Geschichte
Die Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek Dr. Johanna Rachinger erklärte in ihrem Festvortrag „Auf der Suche nach der österreichischen Identität – Die Österreichische Nationalbibliothek als Spiegel österreichischer Geschichte“, 1920 sei auch ein entscheidendes Jahr in der Geschichte der Österreichischen Nationalbibliothek gewesen. In diesem Jahr sei die Umwandlung und Umbenennung der kaiserlichen Hofbibliothek in die „National-Bibliothek“ der neu gegründeten Ersten Republik erfolgt.
Die Nationalbibliothek feierte im vergangenen Jahr ihren 650. Geburtstag. Die Bibliothek zählt damit zu den ältesten noch heute bestehenden Kultureinrichtungen Österreichs. „Sie repräsentiert die kulturelle Kontinuität dieses Landes in all seinen großen und kleinen politischen Umbrüchen und Wandlungen, und sie war in ihrer langen Geschichte immer aufs Engste verknüpft mit der wechselvollen politischen Geschichte dieses Landes“, so Rachinger. In all den teilweise dramatischen Wandlungen in ihrem Selbstverständnis habe die Bibliothek „ihre ganz unverwechselbare Identität einer einzigartigen Sammlung herausragender Dokumente“ bis heute bewahrt. „Wenn wir in der Österreichischen Nationalbibliothek zum Ziel haben, das Wissen der Vergangenheit zu bewahren und das der Gegenwart in all seinen aktuellen Erscheinungsformen bis hin zu den Online-Publikationen zu sammeln, so steht dahinter die Überzeugung, dass die lebendige Auseinandersetzung mit unserer Geschichte, mit unseren eigenen Wurzeln, eine bleibende Herausforderung für jede Gesellschaft ist“, so die Generaldirektorin.
Rachinger unterstrich die Wichtigkeit, der Jugend über alle parteipolitischen Unterschiede hinweg zwei Punkte zu vermitteln. „Zum einen ist es das unbedingte Vertrauen in einen demokratisch verfassten Rechtsstaat, den uns unsere Verfassung garantiert. Zum anderen eine grundsätzliche Zuversicht gegenüber einem gemeinsamen Europa. Diese Grundüberzeugungen sollten unerschütterlich standhalten auch in Zeiten ernster politischer oder wirtschaftlicher Krisen. Wir sind es unserem Land schuldig, aktiv an der Einheit Europas mitzuarbeiten. Auch Europa kann von Österreich viel lernen. Im Negativen, viel mehr aber noch im Positiven.“
Verfassungstag 2019: Videos und Reden
Grußworte Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein
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Festvortrag Generaldirektorin der ÖNB Johanna Rachinger
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