Sozialversicherungs-Organisationsreform, Sicherheitspaket und Sozialhilfe-Grundsatzgesetz auf Tagesordnung der Dezember-Session 2019
Die Beratungen des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) im Rahmen der Dezember-Session beginnen am 25. November 2019.
Sozialversicherungs-Organisationsreform: Antragsteller sehen Verstoß gegen verfassungsrechtliche Grundsätze der Selbstverwaltung
Gegen die im Dezember 2018 verabschiedete Organisationsreform der österreichischen Sozialversicherung wurden beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) bisher insgesamt vierzehn Anträge auf Gesetzesprüfung eingebracht.
Antragsteller sind die SPÖ-Bundesratsfraktion, die Kärntner, Oberösterreichische, Steiermärkische und Tiroler Gebietskrankenkasse, die Betriebskrankenkassen voestalpine Bahnsysteme, Kapfenberg, Zeltweg und Mondi, die Arbeiterkammern Wien, Tirol und Vorarlberg sowie die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, der Betriebsrat der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse, der Österreichische Seniorenrat, das Landesgericht Linz als Arbeits- und Sozialgericht, mehrere Versicherte sowie 113 Mitglieder der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, die als Versicherungsvertreter in die Verwaltungskörper von Sozialversicherungsträgern entsendet worden sind.
Die Anträge richten sich insbesondere gegen die Vereinigung der Gebietskrankenkassen und der Betriebskrankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse. Die Antragsteller sehen darin einen Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Selbstverwaltung.
Die Sozialversicherungs-Organisationsreform war in den Oktober-Beratungen des VfGH am 8. und 9. des Monats Gegenstand einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, die sich wegen des Umfangs der Anträge über zwei Tage erstreckte. Im Zentrum der mündlichen Verhandlung standen ua Fragen der Effizienz der Zusammenlegung, der Parität von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in den Gremien sowie der Übertragung der Sozialversicherungsprüfung. Die Beratungen des Gerichtshofes werden nunmehr fortgesetzt.
(G 67-71/2019, G 78-81/2019, G 82-86/2019, G 89-93/2019, G 99-101/2019, G 158/2019, G 113, 116/2019, G 119-120/2019, G 140/2019, G 141/2019, G 177/2019, G 191-193/2019)
„Sicherheitspaket“: „Drittelanträge“ aus National- und Bundesrat werden weiter beraten
Gegen das im April 2018 verabschiedete "Sicherheitspaket" haben 61 SPÖ- und NEOS-Abgeordnete zum Nationalrat den VfGH angerufen. Der Abgeordnetenantrag wendet sich gegen mehrere unter der Bezeichnung "Sicherheitspaket" im Jahr 2018 eingeführte Maßnahmen. Dazu zählen die Ermittlung und Speicherung von (Bild‑)Daten von Fahrzeugen und Fahrzeuglenkern durch Sicherheitsbehörden (§ 54 Abs. 4b Sicherheitspolizeigesetz), die Übermittlung und Speicherung von (Bild‑)Daten von Fahrzeugen und Fahrzeuglenkern aus Section-Control-Anlagen an bzw. durch Sicherheitsbehörden (§ 98a Abs. 2 Straßenverkehrsordnung 1960), die Überwachung verschlüsselter Nachrichten durch Installation eines Programms ("Bundestrojaner") in einem Computersystem ohne Wissen des Betroffenen (§ 135a Abs. 1 Strafprozeßordnung 1975) und das Eindringen in und die Durchsuchung von Wohnungen zum Zweck der Installation eines Programms zur Überwachung verschlüsselter Nachrichten (§ 135a Abs. 3 Strafprozeßordnung 1975).
Nach Ansicht der antragstellenden Abgeordneten seien die angefochtenen Bestimmungen unverhältnismäßig und würden gegen mehrere Grundrechte, vor allem gegen das Recht auf Datenschutz und das Recht auf Achtung des Privatlebens, verstoßen: Überdies sei die Ermittlung von Daten durch Einsatz von bildverarbeitenden technischen Einrichtungen (Kameras) ohne konkreten Anlass als (Wieder‑)Einführung einer Vorratsdatenspeicherung zu werten.
Die geheime Überwachung verschlüsselter Nachrichten ist auch Gegenstand eines von der SPÖ-Bundesratsfraktion Ende Juli 2019 (neuerlich) eingebrachten Antrages.
Beide Anträge sind bereits im Oktober 2019 beraten worden; über den Antrag der Nationalratsabgeordneten hat zudem in der Juni-Session 2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung stattgefunden.
Auch in dieser Rechtssache werden die Beratungen des Gerichtshofes nunmehr fortgesetzt.
(G 72-74/2019, G 181,182/2019)
Sozialhilfe-Grundsatzgesetz: 21 SPÖ-Bundesrats-Mitglieder sehen insbesondere Grundsätze der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung und Gleichheitssatz verletzt
Gegen das im Frühjahr 2019 verabschiedete Sozialhilfe-Grundsatzgesetz wendet sich ein Antrag von 21 SPÖ-Mitgliedern des Bundesrates. Nach Ansicht der antragstellenden Parlamentarier verstoßen mehrere Bestimmungen dieses Grundsatzgesetzes gegen den Gleichheitssatz, das Legalitätsprinzip sowie – wegen ihres hohen Detaillierungsgrades – gegen das "Wesen" eines Grundsatzgesetzes, so insbesondere die Bestimmungen über die Deckelung des Bezugs von Sozialhilfe, die degressive Kürzung der Sozialhilfe bei Bezugsberechtigten, die in Haushaltsgemeinschaften leben sowie die vorgeschriebene Kürzung der Sozialhilfe bei Bezugsberechtigten, die am österreichischen Arbeitsmarkt nicht vermittelbar sind.
Auch dieser Fall stand bereits auf der Tagesordnung der Oktober-Session 2019, die Beratungen werden ebenfalls fortgesetzt.
(G 164, 171/2019)
Rauchverbot: Zwei Anträge von Shisha-Bar-Betreibern
Mehrere Unternehmen, die auf Grund einer Gastgewerbeberechtigung sogenannte Shisha-Lokale (Gaststätten, in denen das Rauchen von Wasserpfeifen angeboten wird) betreiben, bekämpfen das seit 1. November 2019 geltende allgemeine Rauchverbot in der Gastronomie vor dem VfGH. Argumentiert wird, dass niemand zu einem anderen Zweck als eine Wasserpfeife zu rauchen in eine Shisha-Bar gehe. Das angefochtene Rauchverbot sei daher aus der Sicht dieser Gastgewerbebetriebe unverhältnismäßig.
(G 258/2019, G 267/2019)
Prüfung des Amtssitzabkommens mit der OPEC
Der Antragsteller, ein ehemaliger Mitarbeiter der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC), hatte vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien gegen seine Kündigung geklagt. Seine Klage war mit Verweis auf Art. 9 des Amtssitzabkommens zwischen der OPEC und der Republik Österreich bzw. die Immunität der OPEC vom Arbeits- und Sozialgericht zurückgewiesen worden.
In seinem Antrag an den VfGH sieht sich der Antragsteller in seinem Grundrecht auf Zugang zu einem Gericht verletzt.
(SV 1/2019)
Klubförderung: Land Kärnten will Rückzahlung von Grünen
Ebenfalls auf der Tagesordnung steht eine Klage des Landes Kärnten gegen den früheren Klub der Grünen im Kärntner Landtag. Dieser Landtagsklub hatte in der letzten Gesetzgebungsperiode des Kärntner Landtages (2013 bis 2018) Klubförderung erhalten, diese Mittel aber bis zum Ende der Gesetzgebungsperiode nicht zur Gänze verbraucht. Nach der letzten Landtagswahl sind die Grünen im Kärntner Landtag nicht mehr vertreten.
In seiner Klage verlangt das Land Kärnten vom beklagten Landtagsklub, über die dem Klub gewährte Klubförderung Rechnung zu legen und den im Vermögen des Landtagsklubs verbliebenen (sowie allenfalls den in der Zwischenzeit nicht widmungsgemäß verbrauchten) Betrag samt Zinsen an das Land zurückzuzahlen.
(A 22/2019)
Die Aufnahme von Fällen auf die Tagesordnung bedeutet nicht automatisch, dass diese Fälle auch in dieser Session entschieden werden. In einer Reihe von Fällen wird das Verfahren in der nächsten Session fortgesetzt und erst dann endgültig entschieden. Vor Abschlussder Beratungen kann keine Aussage über die Art der Erledigung getroffen werden.