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VfGH befasst sich mit Kreditmoratorium, Datenschutz in Medien, U-Ausschuss

25.11.2022

Insgesamt werden in drei Wochen etwa 400 Fälle behandelt

Der Verfassungsgerichtshof tritt am Montag, 28. November, zu Beratungen zusammen, die für drei Wochen anberaumt sind. Auf der Tagesordnung stehen ca. 400 Anträge und Beschwerden.

Steht ein Fall auf der Tagesordnung, bedeutet dies nicht automatisch, dass darüber in diesen Tagen entschieden wird. Die Entscheidungen des VfGH werden nach Ende der Beratungen den Verfahrensparteien zugestellt. Erst danach kann der VfGH darüber informieren. 

Mehrere Anträge zum ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss 

Von der ÖVP nominierte Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses haben beim VfGH die Entscheidung beantragt, dass die Bundesministerin für Justiz zwei ergänzenden Beweisanforderungen des U-Ausschusses durch Erhebungen unverzüglich nachzukommen und die Ergebnisse der Beweiserhebungen dem Untersuchungsausschuss vollständig vorzulegen hat. Es geht um die Auswertung elektronischer Kommunikation, die von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) im Zuge ihrer Ermittlungen in der sogenannten Ibiza-Affäre sichergestellt worden ist. Dabei handelt es sich u.a. um Chats zwischen dem früheren Generalsekretär im Finanzministerium Thomas Schmid einerseits sowie im Antrag näher genannten Personen mit einem Naheverhältnis zur SPÖ oder FPÖ andererseits.

(UA 92-93/2022) 

Der VfGH setzt auch Beratungen aus früheren Sitzungen fort, und zwar über einen Antrag der Justizministerin betreffend die Einvernahme von Thomas Schmid im U-Ausschuss sowie einen Antrag von ÖVP-Mitgliedern des U-Ausschusses betreffend „Usermail“-Accounts der WKStA (UA 94/2022, UA 95/2022). 

Antrag der Burgenländischen Landesregierung zu Schweinehaltung mit Vollspaltenböden

Die Burgenländische Landesregierung wendet sich gegen die Regelung, dass Schweine in Ställen mit durchgehend perforierten Böden (Vollspaltenböden) gehalten werden dürfen. Sie hat den Antrag gestellt, näher bezeichnete Bestimmungen der 1. Tierhaltungsverordnung (Stand 2017) der seinerzeit zuständigen Bundesministerin für Gesundheit und Frauen als gesetzwidrig aufzuheben. Die Landesregierung bringt auch vor, dass die Mindestfläche an Boden bei der Gruppenhaltung von Schweinen nicht ausreiche. Die angefochtenen Bestimmungen verstießen, so die Landesregierung, insofern sowohl gegen das Tierschutzgesetz als auch gegen das Bundesverfassungsgesetz u.a. über den Tierschutz aus dem Jahr 2013.

(V 137/2022) 

Abgrenzung von Werbung und redaktioneller Berichterstattung im Privatfernsehen 

Der Betreiber des Satellitenfernsehprogramms "oe24 TV" sieht sich durch Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) im Recht auf Medienfreiheit nach Art. 10 EMRK verletzt. 

Das BVwG stellte im Frühjahr 2022 fest, dass ein 2017 ausgestrahlter Werbespot des TV-Senders gegen das Gebot der Trennung von Fernsehwerbung und anderen Sendungs- und Programmteilen nach dem Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz (§ 43 Abs. 2 AMD-G) verstoßen habe. Das Gericht bestätigte damit eine Entscheidung der Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria). „oe24 TV“ hatte in der Sendungsrubrik „Star des Tages“ zunächst Teile eines neuen Werbespots gezeigt, in dem eine bekannte Person vorkommt. Im Anschluss wurde, nach einer entsprechenden Ankündigung der Moderatorin, der Spot unkommentiert zur Gänze ausgestrahlt. Die unkommentierte Ausstrahlung des ganzen Werbespots verstößt nach Auffassung des BVwG gegen das werberechtliche Trennungsgebot. 

Eine zweite Beschwerde von „oe24 TV“ betrifft eine im April 2020 ausgestrahlte Sendung, die einen Beitrag über einen Handelsbetrieb enthielt, in dem Atemschutzmasken verkauft werden. In diesem Fall stellte das BVwG – der KommAustria folgend – fest, dass es sich bei diesem Beitrag um Schleichwerbung gehandelt habe, die nach § 31 Abs. 2 AMD-G untersagt sei.

In seinen Beschwerden an den VfGH macht „oe24 TV“ geltend, dass sowohl die Ausstrahlung des Werbespots als auch der Beitrag über den „Atemschutzmasken-Shop“ als redaktionelle Berichterstattung anzusehen seien und daher unter die journalistische Gestaltungsfreiheit fielen. Kritisiert wird auch, dass werbewirksame Beiträge in audiovisuellen Medien dem werberechtlichen Trennungsgebot sowie dem Verbot der Schleichwerbung auch dann unterlägen, wenn dafür kein Entgelt geleistet wird. In Printmedien hingegen seien solche Veröffentlichungen nur dann zu kennzeichnen, wenn dafür tatsächlich ein Entgelt geleistet worden sei (§ 26 Mediengesetz). Dies verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz.

(E 992/2022, E 1265/2022)

Ist es verfassungswidrig, Medienunternehmen von Datenschutzgarantien auszunehmen?  

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) beantragt, eine Bestimmung des Datenschutzgesetzes teilweise als verfassungswidrig aufzuheben. Diese Bestimmung (§ 9 Abs. 1) sieht vor, dass das österreichische Datenschutzgesetz sowie näher bezeichnete Teile der EU-Datenschutz-Grundverordnung auf journalistische Datenverarbeitungen nicht anzuwenden sind. 

Das Bundesverwaltungsgericht wendet sich an den VfGH, da ihm Beschwerden gegen Entscheidungen der Datenschutzbehörde vorliegen. Die Datenschutzbehörde hatte zuvor an sie gerichtete Beschwerden gegen die Veröffentlichung personenbezogener Daten durch Medienunternehmen „wegen Unzuständigkeit“ zurückgewiesen. Das BVwG erachtet die gänzliche Ausnahme von Medienunternehmen von den Garantien des Datenschutzrechts als unverhältnismäßig; das Gericht sieht darin unter anderem einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Datenschutz. 

Einen ersten, ähnlichen Antrag des BVwG hat der VfGH im September dieses Jahres aus formalen Gründen zurückgewiesen.

(G 287-288/2022) 

Nicht auf der Tagesordnung steht der Antrag der Burgen­ländischen Landesregierung zum ORF-Gesetz (G 215/2022). Mit einer Entscheidung über diesen Antrag ist daher erst im kommenden Jahr zu rechnen.

Genehmigung der S 34 (Traisental) und bundesstaatliche Kompetenzverteilung 

Mit Bescheid vom Oktober 2019 genehmigte der damals zuständige Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie auf Antrag der ASFINAG und des Landes Niederösterreich das Straßenbauvorhaben „S 34 Traisental Schnellstraße St. Pölten/Hafing – Knoten St. Pölten/West – Wilhelmsburg/Nord“. Das Bundesverwaltungsgericht wies eine u.a. von einer Bürgerinitiative und zwei Umweltorganisationen dagegen erhobene Beschwerde ab, die u.a. von einer Bürgerinitiative und Umweltorganisationen eingebracht worden war.  

Diese haben nun beim VfGH Beschwerde gegen die Entscheidung des BVwG erhoben und machen etwa geltend, dass die S 34 in der derzeit eingereichten Form keine Bedeutung für den Durchzugsverkehr habe, sondern nur der lokalen Aufschließung diene. Für solche Straßen sei der Bund jedoch nicht zuständig; die Aufnahme dieses Straßenbauvorhabens in das Bundesstraßengesetz 1971 verstoße daher gegen die bundesstaatliche Kompetenzverteilung.

(E 2013/2021)

Beratungen zu zinsenlosem Kreditmoratorium und Nitrat-Verordnung sowie zwingender U-Haft werden fortgesetzt

 Innerhalb der nächsten drei Wochen wird auch weiter die Frage behandelt, ob eine für Kreditnehmer unentgeltliche Stundung das Eigentumsrecht der Banken verletzt (G 174/2022). Ebenso prüft der VfGH, ob die Nitrat-Aktionsprogramm-Verordnung 2017 des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft gesetzwidrig ist (V 220/2022). Gegenstand der Beratungen ist weiters, ob die zwingende Untersuchungshaft bei schweren Straftaten (§ 173 Abs. 6 StPO) gegen das Grundrecht auf persönliche Freiheit verstößt (G 53/2022).

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