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VfGH behandelt in dreiwöchigen Beratungen über 400 Fälle

07.06.2021

Themen sind u.a. Beschäftigung von Asylwerbern und COVID-19 – Brandstetter hat Tätigkeit beendet

In seiner Juni-Session, die für drei Wochen anberaumt ist, berät der Verfassungsgerichtshof ab heute über mehr als 400 Fälle. Ein Teil davon bezieht sich auf das Thema COVID-19, worüber in einer Presseaussendung (vom 3. Juni) bereits berichtet wurde. Über weitere Fälle wird untenstehend informiert.

Zusammensetzung des Gerichtshofes  

Dr. Wolfgang Brandstetter hat heute nach einem Gespräch im Kollegium des Verfassungsgerichtshofes seinen Rücktritt mit sofortiger Wirkung erklärt. Im Hinblick darauf erübrigen sich weitere Überlegungen, ob interne Schritte im Gerichtshof notwendig sind. Er hat seine Tätigkeit am VfGH mit heutigem Tag beendet. An seiner Stelle werden, wie im Fall von Vakanzen üblich, Ersatzmitglieder einberufen.

Klage gegen den Bund wegen Kosten für Grundversorgung von Asylwerbern

Das Land Wien hat gegen den Bund eine Klage auf Zahlung von rund € 23.000,– sowie auf Feststellung erhoben. Hintergrund ist die Grundversorgungsvereinbarung, wonach die Kosten für die Grundversorgung von Asylwerbern für die Dauer des Verfahrens in erster und zweiter Instanz – aber längstens für zwölf Monate – zwischen Bund und Ländern im Verhältnis 60:40 aufgeteilt werden. Nach diesem Zeitraum trägt der Bund diese Kosten alleine. 

Zwischen Wien und dem Bund ist strittig, ob diese Regelung auch bei Asylwerbern anzuwenden ist, denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in erster Instanz subsidiären Schutz zuerkannt hat, deren Antrag auf Asyl aber nach einem Jahr Verfahrensdauer noch nicht rechtskräftig entschieden ist. 

(A 5/2021) 

Ibiza-Untersuchungsausschuss: Hat Ausschussmitglied Persönlichkeitsrechte verletzt? 

Die Unternehmerin Kathrin Glock hat beim VfGH eine Beschwerde wegen Verletzung in Persönlichkeitsrechten erhoben. Sie behauptet, durch in Sitzungen des Ibiza-Untersuchungsausschusses gemachte Äußerungen eines Mitgliedes dieses Ausschusses insbesondere im Recht auf Ehre und Schutz des wirtschaftlichen Rufes verletzt zu sein. 

(UA 2/2021) 

Deutschkenntnisse als Erfordernis für Privatschullehrer unabhängig von Unterrichtssprache 

Seit September 2018 müssen an Privatschulen tätige Lehrer Kenntnisse der deutschen Sprache nachweisen, die zumindest dem Referenzniveau C 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen entsprechen. Weisen sie diese nicht nach, so hat die zuständige Schulbehörde die Verwendung als Privatschullehrer zu untersagen. 

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hat beim VfGH mehrere Anträge gestellt, diese Vorschrift des Privatschulgesetzes als verfassungswidrig aufzuheben. Es sei, so das BVwG, sachlich nicht gerechtfertigt, dass Privatschullehrer ausnahmslos (qualifizierte) Deutschkenntnisse nachweisen müssen – selbst dann, wenn die Unterrichtssprache der Privatschule nicht Deutsch ist. Eine Gleichheitswidrigkeit liege auch darin, dass einzelne internationale Schulen von diesem Erfordernis nicht erfasst seien. 

(G 391/2020 u.a. Zlen.) 

Eingetragene Partnerin der Mutter als „anderer Elternteil“ des Kindes 

Die Beschwerdeführerin lebt in Wien in einer eingetragenen Partnerschaft. Nachdem ihre Partnerin ein Kind zur Welt gebracht hatte, stellte sie beim Magistrat der Stadt Wien als Personenstandsbehörde den Antrag, sie als „anderen Elternteil“ im Sinne des ABGB in das Zentrale Personenstandsregister einzutragen.  

Der Magistrat der Stadt Wien wies diesen Antrag ab: Gemäß § 144 Abs. 2 ABGB gilt eine Frau, die mit der Mutter eines Kindes zum Zeitpunkt der Geburt in eingetragener Partnerschaft lebt, nur dann als Elternteil, wenn an der Mutter eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung durchgeführt worden ist (und nicht, wenn das Kind auf natürliche Weise gezeugt worden ist). Eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung wurde im vorliegenden Fall unstrittig nicht vorgenommen. Das Verwaltungsgericht Wien bestätigte die ablehnende Entscheidung des Magistrats. 

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird u.a. ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz geltend gemacht. Ein Mann, der mit der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes verheiratet ist, gelte nämlich stets als Vater, ganz gleich, wie das Kind gezeugt worden sei. 

(E 4420/2020) 

Über die folgenden Fälle wurde ein erstes Mal im März beraten: 

Prüfung zweier Erlässe zu Beschäftigungsbewilligungen für Asylwerber  

Aus Anlass der Beschwerde einer Spenglerei hat der VfGH beschlossen, von Amts wegen ein Verordnungsprüfungsverfahren zum Erlass des Bundesministers für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz vom 12. September 2018 sowie zu einem Erlass vom 11. Mai 2004 einzuleiten. Aus diesen Erlässen folgt, dass Beschäftigungsbewilligungen für Asylwerberinnen und Asylwerber nur bei befristeten Beschäftigungen als Saisonarbeiter oder Erntehelfer erteilt werden dürfen.  

Der VfGH ist vorläufig der Ansicht, dass sich diese Erlässe nicht in einer bloßen Information über die geltende Rechtslage erschöpfen, sondern darüber hinaus verbindliche (einschränkende) Regelungen über die Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen für Asylwerberinnen und Asylwerber enthalten. Sollte sich diese Annahme bestätigen, wären diese Erlässe aber als Verordnungen im Bundesgesetzblatt kundzumachen gewesen. Der VfGH hat nunmehr zu entscheiden, ob dieses Bedenken zutrifft. 

(V 95-96/2021)

Antrag eines Unionsbürgers auf Asyl  

Nach dem Protokoll Nr. 24 zum Vertrag von Lissabon über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten die EU-Mitgliedstaaten füreinander als sichere Herkunftsländer. Asylanträge werden daher normalerweise nicht berücksichtigt; jeder Mitgliedstaat kann jedoch einseitig den Beschluss fassen, einen solchen Antrag inhaltlich zu prüfen.  

Ein Staatsangehöriger der Republik Litauen hat im April 2019 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Er beruft sich darauf, als Jude und Menschenrechtsaktivist in seinem Heimatstaat der Verfolgung durch Rechtsextremisten ausgesetzt zu sein. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag zurück, weil Litauen als sicherer Herkunftsstaat gelte. Die dagegen an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) erhobene Beschwerde wurde als unbegründet abgewiesen.  

Der Litauer macht geltend, dass das BVwG das Protokoll Nr. 24 „willkürlich“ ausgelegt und dadurch das Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt habe. 

(E 2546/2020)  

Pensionsanspruch strafgerichtlich verurteilter Politiker  

Im Juli 2017 verurteilte das Salzburger Landesgericht zwei ehemalige Salzburger Politiker wegen des Verbrechens der Untreue. Daraufhin stellten die zuständigen Behörden fest, dass der für die Amtstätigkeit zuerkannte Ruhebezug wegen der rechtskräftigen Verurteilung von Gesetzes wegen erloschen sei. Die Ruhebezüge wurden im Sinne der Bestimmungen des ASVG neu bemessen. Diese Entscheidungen wurden vom Landesverwaltungsgericht Salzburg im Wesentlichen bestätigt.  

In den dagegen erhobenen Beschwerden wird u.a. geltend gemacht, dass die Bestimmungen des Salzburger Bezügegesetzes 1992 in mehrfacher Hinsicht verfassungswidrig seien. So sei es sachlich nicht gerechtfertigt, dass ein pensionierter Politiker im Fall einer strafgerichtlichen Verurteilung wesentliche härtere pensionsrechtliche Nachteile erleide als ein aktiver Politiker oder ein aktiver Beamter. 

(E 4406/2020, E 4496/2020) 

Sitzungsablauf

Werden Fälle auf die Tagesordnung einer Session gesetzt, bedeutet dies nicht automatisch, dass diese Fälle auch in derselben Session entschieden werden. Wenn noch Fragen geklärt werden müssen, ist eine Verschiebung in eine spätere Session möglich. 

Der VfGH gibt seine Entscheidungen durch Zustellung an die Verfahrensparteien oder mündliche Verkündung bekannt. Bis dahin kann der VfGH keine Aussage über die Art der Erledigung eines Falles treffen.

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