VfGH behandelt Apothekenvorbehalt, Asyl-Themen und Gesichtsverhüllung
In seiner März-Session, die für drei Wochen anberaumt ist, berät der Verfassungsgerichtshof ab heute etwa 350 Fälle. Ein Teil davon bezieht sich auf das Thema COVID-19, worüber in einer Presseaussendung (vom 19. Februar 2021) bereits informiert wurde. Darüber hinaus stehen u.a. folgende Fälle auf der Tagesordnung:
Abgabebeschränkung für nicht rezeptpflichtige Arzneimittel („Apothekenvorbehalt“)
Das Unternehmen dm-drogerie markt hat einen Individualantrag auf Gesetzes- und Verordnungsprüfung gestellt. Es wendet sich damit gegen Vorschriften, denen zufolge auch nicht rezeptpflichtige Arzneimittel nur von Apotheken bezogen sowie im Kleinverkauf oder durch Fernabsatz abgegeben werden dürfen. Ebenso angefochten ist das absolute Verbot der Abgabe von Arzneimitteln in Selbstbedienung.
Das antragstellende Unternehmen ist der Ansicht, die angefochtenen Vorschriften verstießen gegen das Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung. Den öffentlichen Interessen des Patientenschutzes, der Arzneimittelsicherheit, der Gesundheit sowie des Konsumentenschutzes könnte nämlich auch durch Drogisten entsprochen werden. Ein „Apothekenvorbehalt“ sei daher unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig.
(V 75/2019 u.a. Zlen.)
Tragen eines Kuhkostüms als Verstoß gegen das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz?
Der Beschwerdeführer verteilte im Juni 2018 bei einer Veranstaltung zum Thema „Milch“ Flugblätter; dabei trug er ein Kuhkostüm samt Kuhmaske, um auf sein Anliegen, den Tierschutz, hinzuweisen. In der Folge wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe verhängt, weil er durch das Tragen des Kostüms samt Maske gegen das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz verstoßen habe.
Der Beschwerdeführer behauptet, durch diese Bestrafung im Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit verletzt zu sein; auch stütze sich die Strafe auf ein verfassungswidriges Gesetz. Er stellt daher den Antrag, die im Instanzenzug ergangene Strafentscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich aufzuheben.
(E 4697/2019)
Recht auf Auskunft über Bezugsfortzahlung an ehemalige Nationalratsabgeordnete
Im Juli 2019 ersuchte ein Journalist die Parlamentsdirektion um Auskunft darüber, welche Abgeordneten in den Jahren 2017 bis 2019 die Bezugsfortzahlung nach Beendigung ihres Amtes in Anspruch genommen haben und für wie lange.
Der Präsident des Nationalrates wies diesen Antrag mit Bescheid unter Hinweis auf das Recht auf Datenschutz der betroffenen Personen ab. Die Begründung dieses Bescheides enthielt lediglich die Information, wie viele Bezugsfortzahlungen im betreffenden Zeitraum pro Jahr gewährt wurden und wie hoch die Gesamtausgaben dafür jeweils waren.
Dagegen erhob der Journalist Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), das jedoch ebenfalls fand, dass das private Geheimhaltungsinteresse der ehemaligen Abgeordneten das Auskunftsinteresse des Journalisten überwiege.
Dieser macht mit seiner Beschwerde vor dem VfGH nun geltend, dass ihn die Entscheidung des BVwG im Grundrecht auf Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 10 EMRK verletze. Die erfolgte Auskunftsverweigerung sei nämlich „in einer demokratischen Gesellschaft nicht erforderlich“ und damit unverhältnismäßig.
(E 4037/2020)
Beschäftigungsbewilligung für Asylwerber
Das beschwerdeführende Unternehmen stellte im September 2019 für einen Asylwerber aus Pakistan einen Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung. Diesen Antrag wies das Arbeitsmarktservice (AMS) mit der Begründung ab, dass gemäß Erlass des Bundesministers für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz vom 12. September 2018 Anträge auf Beschäftigungsbewilligung für Asylwerberinnen und Asylwerber abzulehnen sind, wenn der Regionalbeirat sie nicht einhellig befürwortet hat. Dieser Erlass sieht – in Verbindung mit einem früheren Erlass aus dem Jahr 2004 – auch vor, dass Beschäftigungsbewilligungen für Asylwerberinnen und Asylwerber nur bei befristeten Beschäftigungen als Saisonarbeiter oder Erntehelfer erteilt werden dürfen. Die gegen den Bescheid des AMS erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen.
In seiner Beschwerde an den VfGH wendet sich das Unternehmen im Wesentlichen gegen den Erlass aus dem Jahr 2018: Ein Ausschluss von Asylwerbern von der Ausübung eines Lehrberufes sei nämlich weder im Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) noch im Unionsrecht vorgesehen.
(E 2420/2020)
(Kein) Recht auf Asyl für Unionsbürger?
Nach dem Protokoll Nr. 24 zum Vertrag von Lissabon über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten die EU-Mitgliedstaaten füreinander als sichere Herkunftsländer. Asylanträge werden daher normalerweise nicht berücksichtigt; jeder Mitgliedstaat kann jedoch einseitig den Beschluss fassen, einen solchen Antrag inhaltlich zu prüfen.
Ein Staatsangehöriger der Republik Litauen hat im April 2019 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Er beruft sich darauf, als Jude und Menschenrechtsaktivist in seinem Heimatstaat der Verfolgung durch Rechtsextremisten ausgesetzt zu sein. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag zurück, weil Litauen als sicherer Herkunftsstaat gelte. Die dagegen an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) erhobene Beschwerde wurde als unbegründet abgewiesen.
Der Litauer macht geltend, dass das BVwG das Protokoll Nr. 24 „willkürlich“ ausgelegt und dadurch das Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt habe.
(E 2546/2020)
Ibiza-Untersuchungsausschuss: Ist der Bundesminister für Finanzen verpflichtet, weitere Unterlagen vorzulegen?
Ein Viertel der Mitglieder des Ibiza-Untersuchungsausschusses stellt beim VfGH den Antrag auf Feststellung, dass der Bundesminister für Finanzen verpflichtet ist, dem Ibiza-Untersuchungsausschuss die vollständigen E-Mail-Postfächer sowie lokal oder serverseitig gespeicherte Dateien namentlich genannter Bediensteter des Bundesministeriums für Finanzen sowie E-Mails, die Bedienstete des Bundesministeriums für Finanzen von bestimmten Personen empfangen haben, vorzulegen.
Die einschreitenden Abgeordneten von SPÖ, FPÖ und NEOS begründen ihren Antrag damit, dass der Bundesminister seiner verfassungsrechtlichen Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss im Umfang des Untersuchungsgegenstandes alle Akten und Unterlagen vorzulegen, bisher nicht bzw. nicht vollständig entsprochen habe.
(UA 1/2021)
Pensionsanspruch strafgerichtlich verurteilter Politiker
Im Juli 2017 verurteilte das Salzburger Landesgericht zwei ehemalige Salzburger Politiker wegen des Verbrechens der Untreue. Daraufhin stellten die zuständigen Behörden fest, dass der für die Amtstätigkeit zuerkannte Ruhebezug wegen der rechtskräftigen Verurteilung von Gesetzes wegen erloschen sei. Die Ruhebezüge wurden im Sinne der Bestimmungen des ASVG neu bemessen. Diese Entscheidungen wurden vom Landesverwaltungsgericht Salzburg im Wesentlichen bestätigt.
In den dagegen erhobenen Beschwerden wird u.a. geltend gemacht, dass die Bestimmungen des Salzburger Bezügegesetzes 1992 in mehrfacher Hinsicht verfassungswidrig seien. So sei es sachlich nicht gerechtfertigt, dass ein pensionierter Politiker im Fall einer strafgerichtlichen Verurteilung wesentliche härtere pensionsrechtliche Nachteile erleide als ein aktiver Politiker oder ein aktiver Beamter.
(E 4406/2020, E 4496/2020)
Sitzungsablauf
Werden Fälle auf die Tagesordnung einer Session gesetzt, bedeutet dies nicht automatisch, dass diese Fälle auch in derselben Session entschieden werden. Wenn noch Fragen geklärt werden müssen, ist eine Verschiebung in eine spätere Session möglich.
Der VfGH gibt seine Entscheidungen durch Zustellung an die Verfahrensparteien oder mündliche Verkündung bekannt. Bis dahin kann der VfGH keine Aussage über die Art der Erledigung eines Falles treffen.