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VfGH berät ab 23. Februar über Dutzende Anträge zu Maßnahmen gegen COVID-19

19.02.2021

Die Beratungen des Richterkollegiums sind auf drei Wochen angesetzt – Insgesamt etwa 350 Fälle

Der Verfassungsgerichtshof tritt am Dienstag, 23. Februar 2021, zu einer Session zusammen, die auf drei Wochen anberaumt ist. Auf der Tagesordnung stehen rund 350 Fälle. 50 davon werden im Plenum des Gerichtshofes beraten, die übrigen in Kleiner Besetzung. Ein Teil der Fälle bezieht sich auf das Thema COVID-19; über Anträge zu allen anderen Bereichen wird noch gesondert informiert. 

Seit April 2020 langen beim VfGH laufend Anträge ein, die sich gegen die aus Anlass der Pandemie getroffenen (Schutz‑)Maßnahmen wenden. Insgesamt sind dies derzeit etwa 200; ein Teil dieser Anträge – rund 130 – wurde noch im Jahr 2020 erledigt. 

Für die Behandlung vieler Anträge ist, wie im Verfahrensablauf vorgesehen, ein Vorverfahren nötig. Der VfGH holt dann eine Stellungnahme der Gegenpartei ein: bei Anträgen auf Gesetzesprüfung ist dies die Bundes- oder eine Landesregierung und bei Anträgen auf Verordnungsprüfung die verordnungserlassende Behörde. Erst nachdem eine Stellungnahme eingelangt ist, kann der VfGH entscheiden. 

Zu bereits ergangenen Entscheidungen im Zusammenhang mit COVID-19 hat der VfGH auf seiner Website einige Presseaussendungen veröffentlicht. In den meisten Fällen ging es um Verordnungen, die zum Zeitpunkt, als der VfGH entschied, bereits außer Kraft getreten waren. In seinen Entscheidungen hat der VfGH ausgedrückt, welche verfassungsrechtlichen Schranken die zuständigen Behörden bei Maßnahmen gegen COVID-19 zu beachten haben.  Entscheidungen des VfGH wirken sich jedoch nicht auf Vorschriften aus, die erst nach der Entscheidung in Kraft getreten sind: Der VfGH ist verpflichtet, jede einzelne Anfechtung neu zu prüfen, auch wenn sie einen ähnlichen Inhalt wie eine frühere hat. (Eine vierteljährlich aktualisierte Übersicht über die beim VfGH anhängigen Normenprüfungsverfahren findet sich auf der Website des Gerichtshofes.) 

In der März-Session 2021 werden insbesondere folgende Fälle, in denen es um COVID-19-Maßnahmen geht, beraten:  

Betretungsverbot für Sport- und Freizeitbetriebe 

Die im Frühjahr 2020 geltende COVID-19-Maßnahmen­verordnung BGBl. II 96/2020 bestimmte, dass das Betreten (des Kundenbereichs) von Sport- und Freizeitbetrieben untersagt ist. 

Der Inhaber eines Fischteiches erhielt auf Grund dieses Verbots von der Bezirkshauptmannschaft eine Strafe, weil er nicht dafür gesorgt hatte, dass sein Gelände nicht von anderen Personen betreten wird. Der Inhaber beschwerte sich gegen die Verhängung der Strafe beim Landesverwaltungsgericht Steiermark. Dieses wiederum stellte beim VfGH den Antrag auf Feststellung, dass dieses Betretungsverbot gesetzwidrig war. 

Das Landesverwaltungsgericht hat das Bedenken, dass das angefochtene Betretungsverbot vom Gesetz nicht gedeckt sei; darüber hinaus sei diese Regelung nicht hinreichend genau, sodass ein Verstoß gegen das Legalitätsprinzip vorliege.

(V 530/2020) 

Auskunftserteilung an die Gesundheitsbehörde bei COVID-19-Verdachtsfällen

Mit Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom September 2020 wurden Betriebsstätten, z.B. Gasthäuser, Krankenanstalten und weitere Einrichtungen verpflichtet, der Bezirks­verwaltungs­behörde bei Verdachtsfällen von COVID-19 bestimmte personenbezogene Daten (etwa von Kunden) zu übermitteln. Die Verordnung war bis 31.12.2020 in Kraft.

Der Antragsteller, Inhaber eines Restaurants in der Wiener Innenstadt, hält diese Verordnung aus mehreren Gründen für gesetzwidrig: Eine solche Auskunftspflicht entbehre der gesetzlichen Grundlage, und sie verstoße zudem gegen das Grundrecht auf Datenschutz, das Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung und den Gleichheitsgrundsatz.

(V 573/2020) 

Ortsungebundener Unterricht („Distance learning“) vom 17. November bis 6. Dezember 2020 

Mehrere Schüler wenden sich mit Individualanträgen auf Verordnungsprüfung dagegen, dass der Unterricht an Schulen vom 17. November bis 6. Dezember 2020 in ortsungebundener Form organisiert war, also als „Distance learning“. Die entsprechenden Regelungen der COVID-19-Schulverordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung hätten sowohl gegen den Gleichheitsgrundsatz als auch gegen das Grundrecht auf Bildung verstoßen.

(V 574/2020 u.a. Zlen.) 

Zuständigkeit der Bezirksgerichte zur Überprüfung von Absonderungsmaßnahmen 

Nach dem Epidemiegesetz 1950 können Personen, die an einer anzeigepflichtigen Krankheit erkrankt sind oder bei denen der Verdacht einer solchen Erkrankung besteht, angehalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden. Die angehaltene Person kann bei dem Bezirksgericht, in dessen Sprengel der Anhaltungsort liegt, beantragen, dass „nach Maßgabe des 2. Abschnitts des Tuberkulosegesetzes“ die Zulässigkeit der Anhaltung überprüft und diese Maßnahme aufgehoben wird (§ 7 Abs. 1a). 

Der Oberste Gerichtshof, das Landesgericht Korneuburg sowie das Bezirksgericht Zell am Ziller stellen beim VfGH einen Antrag auf Aufhebung eines Teils dieser Bestimmung: Die Möglichkeit, gegen Anordnungen der Gesundheitsbehörde das Bezirksgericht anzurufen, verstoße gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung; auch sei entgegen dem Legalitätsprinzip nicht hinreichend genau geregelt, unter welchen Voraussetzungen das Bezirksgericht angerufen werden kann und in welchem Umfang das Bezirksgericht die Anhaltung zu überprüfen hat.

(G 380/2020, G367/2020, G 7/2021) 

Anspruch auf Pauschalentschädigung bei „verlängertem“ außerordentlichem Zivildienst? 

Die Beschwerdeführer leisteten bis März 2020 den ordentlichen Zivildienst. Mit Bescheiden der Zivildienst­serviceagentur wurden sie vor dem Ende ihres Dienstes verpflichtet, im Anschluss an den ordentlichen noch bis 30. Juni 2020 außerordentlichen Zivildienst zu leisten; diese Maßnahme sei im Hinblick auf die Folgen von COVID-19, insbesondere im Gesundheits- und Pflegebereich, erforderlich. 

Gleichzeitig mit der Verlängerung der Dienstpflicht aktuell eingesetzter Zivildiener erfolgte ein Aufruf an alle ehemaligen Zivildiener, sich freiwillig zum außerordentlichen Zivildienst zu verpflichten.

Für die Zeit des außerordentlichen Zivildienstes gebührte allen Verpflichteten eine Grundvergütung samt einem Zuschlag. Darüber hinaus erhielten die Zivildiener, die sich freiwillig zur Verrichtung des außerordentlichen Zivildienstes verpflichtet hatten, eine Pauschalentschädigung bzw. eine Vergütung des Verdienstentganges. Die Beschwerdeführer beantragten daher beim Heerespersonalamt für die Monate, in denen sie außerordentlichen Zivildienst leisteten, ebenfalls die Gewährung einer Pauschalentschädigung bzw. den Ersatz des Verdienstentganges. Mit Bescheiden des Heerespersonalamtes wurden diese Anträge jedoch abgewiesen. Auch die dagegen beim Bundesverwaltungsgericht erhobenen Beschwerden blieben erfolglos.

Die Beschwerdeführer halten die Differenzierung hinsichtlich des Verdienstes zwischen „verlängerten“ und freiwillig verpflichteten ehemaligen Zivildienern für sachlich nicht gerechtfertigt.

(E 3310/2020 u.a. Zlen.) 

Entschädigung für Verdienstentgang wegen Heimquarantäne nach Reiserückkehr 

Ein Unternehmen wendet sich in seiner Beschwerde an den VfGH gegen die am 18. März 2020 erlassene Verordnung des Bundesministers für Gesundheit für die Einreise auf dem Luftweg nach Österreich (BGBl. II 105/2020) sowie gegen § 32 Epidemiegesetz 1950. Nach dieser Bestimmung gebührt Personen unter anderem dann eine Vergütung für den Verdienstentgang, wenn sie „gemäß §§ 7 oder 17“ abgesondert worden sind. 

Das beschwerdeführende Unternehmen hatte einer Dienstnehmerin, die nach ihrer Rückkehr aus Asien im März 2020 auf Grund der Verordnung eine 14-tägige Heimquarantäne anzutreten hatte, das ihr zustehende Entgelt weiterbezahlt. In der Folge stellte das Unternehmen gemäß § 32 Abs. 3 Epidemiegesetz 1950 bei der Bezirksverwaltungsbehörde einen Antrag auf Vergütung dieses Betrages (Bruttobezug zuzüglich Dienstgeberanteil).  

Sowohl die Bezirksverwaltungsbehörde als auch das im Instanzenzug angerufene Landesverwaltungsgericht Oberösterreich wiesen diesen Antrag jedoch als unbegründet ab. Dies mit der Begründung, dass die Verpflichtung, sich bei der Rückkehr nach Österreich in Heimquarantäne zu begeben, keine (Absonderungs‑)Maßnahme im Sinne der §§ 7 oder 17 Epidemiegesetz 1950 darstelle, die zu einem  Vergütungsanspruch führen könne. 

Das beschwerdeführende Unternehmen ist der Ansicht, dass ein  Ausschluss des Vergütungsanspruchs bei selbst­überwachter Heimquarantäne gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt; es stellt daher den Antrag, die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes aufzuheben.

(E 4202/2020)  

Sitzungsablauf 

Werden Fälle auf die Tagesordnung einer Session gesetzt,  bedeutet dies nicht automatisch, dass diese Fälle auch in derselben Session entschieden werden. Wenn noch Fragen geklärt werden müssen, ist eine Verschiebung in eine spätere Session möglich. 

Der VfGH gibt seine Entscheidungen durch Zustellung an die Verfahrensparteien oder mündliche Verkündung bekannt. Bis dahin kann der VfGH keine Aussage über die Art der Erledigung eines Falles treffen.

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