VfGH-Rückblick 2016: Aufhebung der Bundespräsidenten-Stichwahl war „völlig alternativlos“
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Die Anfechtungsfrist für die wiederholte Stichwahl zur Bundespräsidentenwahl vom 4. Dezember 2016 ist verstrichen, ohne dass beim Verfassungsgerichtshof eine Wahlanfechtung eingebracht worden wäre. Der Kundmachung des Wahlergebnisses im Bundesgesetzblatt steht nichts mehr im Wege.
Für den Verfassungsgerichtshof war das Verfahren betreffend die Anfechtung der Stichwahl vom 22. Mai 2016 die größte Herausforderung im Jahr 2016. Präsident Gerhart Holzinger unterstrich in einer Pressekonferenz am 23. Dezember 2016 die Bedeutung dieses Erkenntnisses: „Die Aufhebung der Stichwahl war völlig alternativlos.“
Wir erinnern uns: Das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof hat ergeben, dass in 14 österreichischen Wahlbezirken bei der Ermittlung des Ergebnisses der Briefwahl gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der geheimen Wahl und gegen Bestimmungen des Bundespräsidentenwahlgesetzes verstoßen wurde. Zweck dieser Bestimmungen ist es, Manipulationen und Missbräuche im Wahlverfahren auszuschließen. Von den festgestellten Rechtswidrigkeiten waren rund 77.000 Stimmen betroffen, der Stimmenunterschied zwischen den beiden Wahlwerbern betrug rund 30.000 Stimmen. Damit waren Rechtsvorschriften in einem Ausmaß verletzt, das von Einfluss auf das Wahlergebnis sein konnte.
Die Aufhebung der Stichwahl folgte der über Jahrzehnte geübten Rechtsprechung. Der Verfassungsgerichtshof hat Wahlen immer dann aufgehoben, wenn die Verletzung von Rechtsvorschriften, die Missbrauch und Manipulation verhindern sollen, erwiesen war und davon eine derart große Zahl von Stimmen betroffen war, dass diese Rechtsverletzungen von Einfluss auf das Ergebnis sein konnten. Der Gerichtshof hebt in diesen Fällen auf, und zwar ohne Spekulationen darüber anzustellen, ob diese Gesetzesverletzungen tatsächlich zu Manipulationen geführt haben.
„Diese Rechtsprechung ist wohl erwogen und begründet. Andernfalls würde die Prüfkompetenz des Verfassungsgerichtshofes ins Leere laufen“, betont Holzinger.
Erstens sei der tatsächliche Nachweis von Manipulationen nur schwer zu führen – etwa in der Frage, ob tatsächlich Stimmzettel ausgetauscht wurden.
Zweitens wäre eine „Bestätigung" der Wahl ein falsches Signal gewesen, ist Holzinger überzeugt. „In Zukunft würde sich niemand mehr an Vorschriften, die Manipulation vermeiden sollen, gebunden fühlen. Nur wenn wir so entscheiden, können wir sicherstellen, dass die Gesetze von den Wahlbehörden auch tatsächlich eingehalten werden.“
Drittens verweist der Präsident auf frühere Wahlen, die nach denselben Maßstäben aufgehoben wurden. Holzinger: „Der Verfassungsgerichtshof hat sich unabhängig von der aktuellen Situation an die Verfassung und die Gesetze zu halten. Der Verfassungsgerichtshof interpretiert den Verfassungstext seit Jahrzehnten in der gleichen Weise.“
In jedem Fall prüft der Verfassungsgerichtshof aber genau, ob die Voraussetzungen für diese Interpretation noch vorliegen. Dies habe auch für die Überprüfung der Stichwahl gegolten, betont Holzinger – mit dem Ergebnis, dass an der Aufhebung kein Weg vorbei geführt habe.
Dazu nochmals in aller Klarheit: Wenn es um das Wahlrecht geht, und darum, dass jede Stimme zählt, dann müssen die gesetzlichen Regelungen auf Punkt und Beistrich eingehalten werden. Hier gilt der Grundsatz „Zero Tolerance“. Wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass eindeutig erwiesene Rechtsverletzungen ein Wahlergebnis beeinflussen, spielt hier keine Rolle. Das war der tragende Grundsatz für die Aufhebung der Bundespräsidenten-Stichwahl!
Es ist Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes als das zur Prüfung von Wahlen zuständige Gericht, die Einhaltung der Gesetze bei Wahlen sicherzustellen. Aufgabe des Gesetzgebers ist es, – in Bindung an die Wahlrechtsgrundsätze der Verfassung – sicherzustellen, dass diese Gesetze auch praktikabel und Wahlen durchführbar sind.
Der Verfassungsgerichtshof hat im ablaufenden Jahr 2016 rund 3.720 Fälle abgeschlossen. Diese Zahl liegt um rund 250 über dem Jahr 2015, und zwar trotz des Verfahrens betreffend die Bundespräsidentenwahl, das im Juni fast zwei Drittel der Kapazitäten gebunden hat. Die durchschnittliche Verfahrensdauer beträgt fünf Monate, für Asylsachen drei Monate.
Verfassungsgerichtshof – Kurzstatistik 2016
Neue Fälle: | ca. 3.810 (2015: 3.551) |
davon |
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Abgeschlossene Fälle: | ca. 3.720 (2015: 3.488) |
davon |
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Offene Fälle: | 975 (2015: 976) |
Verfahrensdauer | Ø Verfahrensdauer allgemein (ohne Asyl): ca. 5 Monate Ø durchschnittliche Verfahrensdauer Asyl: ca. 3 Monate |
Pressemitteilung vom 23.12.2016 (0,3 MB/PDF)